Von Barcelona bis Gibraltar
September – Oktober 2023
Warum Spanien?
Spanien ist ein tolles Land für Radreisende – und das aus vielen Gründen: Mit seinen zahlreichen grandiosen Bikepacking Routen, dem guten Netz an Schotterstraßen, einem oft stabilen und rad-freundlichen Wetter und mit für Europa wirklich noch erstaunlich einsamen Gegenden ist es geradezu ein Paradies für alle, die ein Radabenteuer vor der Haustüre suchen. Wenn man dann noch einige der Vías Verdes (Bahntrassen-Radwege) und die oft vorbildliche Rad-Infrastruktur (viele gute und abgetrennte Radwege, die ohne Kanten auskommen!) in der Routenplanung berücksichtigt, gibt es noch einen weiteren Grund Spanien als Tourenland zu wählen: Und das ist der Respekt und die Rücksicht, die spanische Verkehrsteilnehmer den Radfahrern entgegenbringen. Die Hinweisschilder, die bald an jedem Ortsausgang zu finden sind, werden hier wirklich ernst genommen!
Tatsächlich war dies für uns einer der ausschlaggebenden Gründe, dieses Mal Spanien als Tourenziel auszusuchen. Auf kürzeren Strecken hatten wir schon früher Bekanntschaft mit der äußerst defensiven Fahrweise der Spanier gemacht. Und wir wurden auch bei dieser längeren Tour in keiner der Regionen enttäuscht. So entspannt und sicher konnten wir uns noch nirgendwo bewegen. Großes Lob an die Spanier!
Warum im Herbst?
Für diese Radreise sollte es trocken und sommerlich, aber nicht mehr zu heiß, sein. Das hat aber nicht ganz funktioniert. Den im Sommer oft beobachteten Temperaturen von deutlich über 40 Grad sind wir zwar entkommen, aber mit bis zu 38 Grad war es auch bei uns noch anstrengend genug. Bei den aktuellen Klimaentwicklungen muss man wahrscheinlich inzwischen das ganz Jahr über mit schweißtreibenden Temperaturen rechnen. Dafür waren die höhergelegenen Bergstrecken um so angenehmer. Da wir die Überquerung der Sierra Nevada geplant hatten, war das Frühjahr als Reisezeit nicht geeignet, denn dann liegt dort auch in Spanien Schnee. Reizvoll sind im Herbst aber auch die Früchte, die die Natur zu bieten hat: Feigen und Mandeln in Hülle und Fülle, Brombeeren, Granatäpfel und Mangos (natürlich nur im Straßengraben oder verwildert!).
Und warum diese Route?
Wir wollten von allem einen Eindruck bekommen: Wilde Bikepacking Routen in Andalusien – Bergregionen wie die Sierra Nevada – Wüstenregionen wie die “Gorafe Desert” – Spanien-Klassiker wie Valencia, Granada, Málaga, Sevilla, Cadiz – Nationalparks wie Cabo di Gata und Doñana – und uns dabei noch ab und zu im Meer abfrischen und am Ende die Berberaffen von Gibraltar erleben. Bei fast 2 Monaten Reisezeit konnten wir dazu “gemütlich” mit dem Schiff anreisen. Deshalb war Barcelona (mit der Fähre von Genua aus gut zu erreichen) als Startpunkt gesetzt. Die Route selber wurde dann im Wesentlichen an folgende veröffentlichte Routen angelehnt: EuroVelo 8 (EV8), Altravesur, Transandalus, Travesía de España und versch. Badlands-Ausgaben. Herausgekommen ist eine knapp 2500 Kilometer lange Strecke durch Ost- und Südspanien, die verschiedenste Landschafts- und Straßenformen umfasst.
Einen kleinen Eindruck davon haben wir euch mitgebracht.
Folgt dem Meer und den Bergen – Vamos!
Barcelona – Ebro Delta – Valencia
Wäre da nicht eine Gewitterfront im Mittelmeer gewesen, dann wäre unsere Anreise problemlos verlaufen. Die Fähre, die uns nach Barcelona bringen soll, hat sich in einen sicheren Hafen gerettet und kommt deshalb nicht pünktlich. So müssen wir kurzfristig eine Nacht in Genua verbringen. Am Ende erreichen wir die katalanische Hauptstadt aber nur einige Stunden später als geplant.
Da wir Barcelona schon von früheren Reisen kannten, rollen wir direkt nach Südwesten aus der Stadt heraus. Bis wir aber Stadt, diverse Autobahnen, den Flughafen und einige Regenschauer hinter uns gelassen haben, sind die ersten 20 km schon geschafft. Doch das Wetter wird bald besser und so verbringen wir schon die erste Mittagspause badend im Meer. Was für ein Start.
Außer dem kurvigen und stark befahrenen Abschnitt bis Sitges geht es den Rest des Tages oft flach an der Strandpromenade entlang und es reiht sich ein Ferienort und Campingplatz an den anderen. Zur Hauptsaison ist es wohl eine gut besuchte Ferienregion. Sobald man aber etwas ins Hinterland abbiegt, wird es sehr ruhig und dünn besiedelt. Und so gestaltet sich auch die Suche nach dem ersten Biwakplatz nicht besonders schwierig.
Bis L’Ampolla folgen wir der Küste entlang meist der EV8 Route. Diese ist hier aber weder ausgebaut, noch beschildert. Dabei wechseln sich Strandpromenaden entlang langer Sandstrände mit kleinen Straßen durch Orangenplantagen und Abschnitten auf der ausgebauten Küstenstraße ab. Als Abwechslung gibt es einen Stopp beim sehenswerten römischen Amphitheater und der Altstadt von Tarragona.
Der Naturpark des Ebro-Deltas, einem gut 300 qkm großen Schwemmland, das durch den mit gut 900 km längsten Fluss Spaniens entstanden ist, stellt einen schönen Gegensatz zu den quirligen Küstenorten da. Hier gibt es kleine Schotterstraßen entlang von Lagunen mit Flamingos, Kilometer langen Sandstränden und durch Reisfelder, die teilweise bereits geerntet sind. Das Mündungsdelta ist nicht nur eines der größten Feuchtgebiete des Mittelmeers, sondern auch das größte Reisanbaugebiet in Spanien. Hier kommt also die Paella, DIE spanische Reisspezialität, her!
In den folgenden 2 Tagen radeln wir bei gewittrigem Wetter an der schönen Halbinsel von Peñiscola vorbei und durch das Naturreservat Marina D’Irta. Es ist ein Wechsel zwischen wenig befahrenen Schotterstraßen entlang einer wilden Küste und gut besuchten Ferienorten. Kurz vor Benicàssim gibt es dann die ersten paar Kilometer auf einem Vía Verdes, einem für Radfahrer ausgebauten Bahntrassen Radweg. Daran kann man sich wirklich gewöhnen! Ohne Verkehr schlängelt sich hier der Radweg am Meer entlang.
Vor Castelló de la Plana verlassen wir die Küste etwas und unsere Route führt uns durch Weinanbau, Orangen-, Zitronen- und Avocadoplantagen. So manche durch Unwetter überflutete Unterführung machen aber auch diesen Abschnitt spannender als gedacht. Vorbei an Sagunt geht es durch einige industriell geprägte Vororte bis Valencia, das wir auf einem weiteren Bahntrassen Radweg entlang von Erdmandel-Feldern an einem grauen und schwül-heißen Sonntag erreichen.
Valencia
Nach den ersten gut 400 km lassen wir die Räder in der drittgrößten Stadt Spaniens für einen Tag ruhen. Die Altstadt mit ihren Gassen und zahlreichen Sehenswürdigen lässt sich gut zu Fuß erkunden. Sie bietet Historisches (Kathedrale, Stadttore, Seidenbörse …), Bauten des Modernisme (Markthalle, Bahnhof und viele Haus-Fassaden), Neues (“Ciutat de les Arts i les Ciències“, die Stadt der Künste und der Wissenschaften) und Grünes (Turia-Park, viele Bäume).
Besonders dieser mit exotischen und tropischen Bäumen bestückte Park hat es uns angetan. Bei dem feucht-heißen Wetter tut die grüne Lunge, die die gesamte Innenstadt umschließt, gut. Sie entstand im ehemaligen Flussbett des Río Turia, der nach großen Überschwemmungen in den 1960igern umgeleitet wurde. Wir folgen dem Park Richtung Küste und kommen damit automatisch in die “Stadt der Künste und der Wissenschaften”. Dieser beeindruckende architektonische Gebäude- und Parkkomplex entstand vor rund 25 Jahren und beherbergt neben dem Opern- und Musikpalast (“Palau de les Arts Reina Sofía“), das größte Aquarium Europas (“L’Oceanogràfic“), ein 3D-Kino und Planetarium (“L’Hemisfèric“), ein interaktives Wissenschaftsmuseum (“Museo de las Ciencias“) und den Kulturpalast “CaixaForum“. Da das Wetter grau und trüb ist und damit die bekannten Kontraste von weißen Gebäuden umgeben von türkisem Wasser und unter einem blauem Himmel entfallen, fahren wir am Abend noch einmal mit den Rädern hinaus und werden mit einer tollen nächtlichen Beleuchtungs-Szenerie belohnt.
Vielleicht ist es das Wetter oder die Saison, aber Valencia kommt uns noch nicht ganz so überlaufen vor, wie so manches andere touristische Städteziel. Die Stadt wäre natürlich eine längere Pause wert gewesen, aber uns zieht es weiter. Wir wollen endlich das ländliche und wilde Spanien erleben.
Río Júcar – Sierra Segura
Über den traurigen Rest des Río Turia verlassen wir Valencia nach Westen. In einem Vorort probieren wir noch ein kühles Glas der regionalen Spezialität Horchata de Chufa (Erdmandelmilch). Bis Montroi radeln wir durch leicht hügeliges Plantagengelände. Hier werden viel Zitrusfrüchte (vor allem Orangen) und Granatäpfel angebaut, aber auch großflächig Oleander gezogen. Mit den ersten größeren Anstiegen endet die intensive landwirtschaftliche Nutzung, es wird einsamer und die Hänge sind mit Macchia und weiter oben mit Kiefern bedeckt. Um zum schön gelegenen Bergdorf Dos Aguas zu gelangen, überqueren wir sogar unseren ersten kleinen Pass mit knapp 600 m Höhe. Damit haben wir eine Region erreicht, die geprägt ist von Canyon-artig eingeschnittenen Flusstälern und trockenen Hochflächen. Das wenige Wasser wird über Stauseen zur Stromgewinnung, aber auch als Kühlwasser für das Kernkraftwerk in Cofrentes genutzt. Auf den Hochebenen ist es so trocken, dass selbst die Weinreben verdorrt sind. Nur Mandeln und im Sommer Getreide scheinen damit zurecht zu kommen.
Von einer Hochebene aus führt eine steile Schotterpiste zum Fluss hinab. Auch wenn der Fluss selber nicht viel Wasser führt, ist es im Tal deutlich grüner und einmal springt sogar ein Steinbock über die Straße. Den zahlreichen Windungen des Río Júcar folgend erreichen wir über eine römische Brücke den Fuß des Ortes Alcalá Del Júcar. Er ist wie ein Schwalbennest an den Hang gebaut, hat Höhlenwohnungen im weichen Kalkgestein und wird von einer Burg gekrönt.
Am Fluss gibt es oft auf beiden Seiten Fahrmöglichkeiten. Wir entscheiden uns meist für die Schotterstrecke, auch wenn diese durch die übervollen Feigenbäume manchmal regelrecht mit “Marmelade” bedeckt ist. Dafür kann man sich, buchstäblich im Fahren, jederzeit mit einem Snack versorgen. Weiter flussaufwärts wird der Weg deutlich kleiner, eher ein kleiner Wanderweg. Die Dornen fordern ihren Tribut und wir haben hier nicht den ersten Platten auf unserer Tour.
Bei Valdeganga verlassen wir das abwechslungsreiche Flusstal und fahren über eine Hochebene auf direktem Weg nach Albacete. Den größten Teil der Strecke legen wir dabei auf einem guten und geteerten Radweg zurück. Wir durchqueren die Provinzhauptstadt in der Region Kastilien-La Mancha mehr am Rand und nutzen sie nur zur Versorgung. Mit Vorräten ausgestattet beginnen wir kurz hinter Albacete den Bahntrassen Radweg, der uns mit kurzen Unterbrechungen bis Alcaraz bringen wird. Bis Balazote führt er erst durch eine landwirtschaftliche Ebene (Anbau von Zwiebeln, Pistazien, Getreide), später durch Baum-durchsetztes Brachland. Die teils 10 km langen Geradeaus Stücke radeln wir auf grobem Schotter mehr im “Automatik-Modus” dahin. Bis zum Ort sehen wir niemanden. Wenigstens finden wir in Balazote dann doch noch einen Wasserbrunnen. Damit sind die Outdoor-Dusche und der Nudeltopf nach diesem staubigen Tag gesichert.
Die folgenden gut 40 km auf dem Vía Verde werden streckenmäßig zu einem wahren Highlight. Durch einsame und erstaunlich grüne Landschaft geht es gut ausgebaut (feiner Kies, teils mit halbseitigem Teer) durch die Sierra de Alcaraz. Die meist beleuchteten Tunnels (Solarbetrieben und per Bewegungsmelder gesteuert!) machen es noch spannender. Auf 1040 m erreichen wir am Puerto de Los Pocicos den Scheitelpunkt. Dann folgt eine berauschende Abfahrt durch weitere Tunnels, über eine große Brücke und durch Oliven Plantagen. Besser geht es kaum!
Auf der Strecke zwischen Alcaraz und Riópar durchqueren wir ausgedehnte Kiefernwälder. Auf ca. 40 km sind wir nahezu komplett alleine und die Route (Teil der Altravesur Bikepacking Route) führt uns dabei über zwei kleine Pässe mit gut 1400 m Höhe. In Riopar (Einkaufsmöglichkeit) weichen wir etwas ab, da wir uns die “Wasserfälle” des Río Mundo anschauen. Die Quelle entspringt in einer 300 m hohen Steilwand und wird durch eine langes Höhlensystem gespeist. Die “Fälle” sind, bedingt durch die Saison und die Trockenheit, eher ein Rinnsal, aber der beeindruckende Felskessel beheimatet einige Geier, die lautlos über uns ihre Kreise ziehen. Der Abstecher hat sich also doch noch gelohnt.
Kurz vor Siles erreichen wir Andalusien, die Region, in der wir den Rest unserer Tour radeln werden. Schon bald hinter dem nicht wirklich spektakulären Ort zieht eine kleine Straße 500 Höhenmeter in die Wälder hinauf. Oben beginnt eine sehr schöne Höhenstraße, die dem Kamm von Nord nach Süd folgt. Hier finden wir einen Biwakplatz mit Aussicht auf die beeindruckende Burg von Segura de la Sierra. Absolute Ruhe und ein Sonnenaufgang mit Weitblick bis hinaus in die Ebenen Kastiliens sind die Belohnung für langes Bergauffahren. Am nächsten Morgen rollen wir hinab in das kleine nette Dorf Pontón Bajo. Hier können wir das letzte mal etwas Essbares kaufen, bevor es an die Überquerung der Sierra de Segura geht.
Wie zum Willkommensgruß sitzen einige Gänsegeier auf einem Felssporn. Sie schauen uns zu, wie wir auf einer anfangs etwas ruppigen Schotterstraße auf eine weite Hochebene hinauf strampeln. Wasser ist hier oben wirklich rar. Zum Glück gibt es für die wenigen Schafe und Ziegen einige Tränken, die wir nutzen können. Außer einem Schäfer und einem Bikepacker, der uns entgegen kommt, sind wir bis abends alleine unterwegs. Auch die ersten Refugios, an denen wir vorbei fahren, sind nicht besetzt. Die braune Gras-Landschaft erstreckt sich weit, wirklich weit! Auf über 1700 m Höhe ist es hier oben tagsüber angenehm kühl, nachts sind wir aber froh, uns in eine der offenen Hütten verkriechen zu können.
Am Refugio de Rambla Seca treffen wir auf spanische Wanderer, deren Kräuterschnaps uns die Entscheidung abnimmt, für die Nacht gleich hier zu bleiben. Sie ziehen weiter und wir haben die einfache, saubere und warme Hütte für uns alleine. Der fantastische Sternenhimmel wird nachts nur durch eine Treibjagd, die uns mit ihren laut bellenden Hunden aus dem Schlaf reißen, beeinträchtigt.
Nachdem die Sonne die morgendlichen Nebelschwaden, die uns einhüllen, weg gedampft hat, beginnen wir die Abfahrt Richtung Pozo Alcón: Ringsum röhren Hirsche, Wildschweine huschen durch die Wälder und aussichtsreiche Schotterpisten führen hinab zum halbleeren Stausee La Bolera. Nur auf dem letzten Stück werden wir herausgefordert, ein nicht immer fahrbarer Trail, der später am See entlang in eine Staubpiste übergeht. Unweit der Staumauer erreichen wir wieder Teer. 60 Kilometer einsamer Gebirgswege liegen hinter uns und so rollen die verstaubten Räder das letzte Stück nach Pozo Alcón wie von alleine bergab.
Desierto de Gorafe (Badlands) – Cabo de Gata – Almeria
Mit aufgefüllten Essensvorräten fahren wir durch Melonenfelder und Olivenhaine an den Rand des Tals des Río Guadiana. Nach dem nicht-historischen Aquädukt bei Fontanar rauschen wir auf einer guten Schotterstraße in die Canyon-artige Erosions-Landschaft hinab. Dort erwartet uns gleich eine Furt, die aber bei diesem Wasserstand sogar fahrbar ist und eine willkommene Abfrischung bietet. Im Schwemmland des Talbodens wurden hier Pappelplantagen angelegt, die immer wieder überflutet werden. Für uns ist nur wichtig, dass die Lehmstraßen trocken und damit hart bleiben. Wir fahren flussaufwärts und bestaunen die durch die Nachmittagssonne angeleuchteten bunten Erosionsformen. Wenn da nicht die Dornen wären! Nur kurz in eine der verfallenen Höhlenwohnung geschaut und schon ist der nächste Platten da. Irgendwann hört dann die breite Fahrspur auf und wir folgen den Spuren anderer Radler ein trockenes Bachbett hinauf. Bis auf ein paar sandige Abschnitte geht es erstaunlich gut. Nur wird es am Ende so eng, dass wir mit unseren Gepäcktaschen nicht mehr durch kommen und es hilft nur Abpacken. Nun noch ein kurzer Aufstieg und wir erreichen wieder die Fahrstraße. Die ist zwar breit, aber gleich so brutal steil, dass wir sie gerade noch schieben können. Oben angekommen werden wir dafür mit einer faszinierenden Aussicht belohnt.
Desierto de Gorafe (Badlands)
Nach einer super ruhigen Nacht folgen wir der Kammstraße weiter bergauf. Sie führt mit unglaublichen Ausblicken durch eine zu dieser Jahreszeit braun-gelb-orange-roten Lehm- und Steinwüste. Wir lassen uns Zeit und brauchen fast 2 Stunden auf das ca. 1000 m hohe Plateau hinauf. Das queren wir auf einer locker-schottrigen Piste bis wir die Teerstraße erreichen. Kurz danach biegen wir schon wieder in einen Feldweg ein und müssen bis zum Weiler Baúl zwei Mal tiefe Schluchtgräben überwinden.
Bevor wir den Anstieg in die Sierra de Baza beginnen sammeln wir noch einmal fleißig Mandeln und organisieren an der Autobahn-Tankstelle ein Bier für den Abend. Mit Snack und Getränk ausgerüstet geht es in die ausgedehnten Wälder dieser sehr einsamen Hügelkette. Am Puerto Palomas erreichen wir zum ersten Mal auf unserer Tour die 2000 Meter Grenze. Nach einigem Auf und Ab treffen wir auf eine Traum-Teerstraße, die wir nur mit ein paar Rennrad Fahrern teilen müssen. Sie führt uns den Kamm entlang nach Süden. Nach ca. 15 km verlassen wir sie wieder, denn wir wollen weiter nach Osten bis zum deutsch-spanischen Observatorium auf dem Calar Alto. Mehrere große Spiegelteleskope dienen hier auf knapp 2200 m der astronomischen Forschung. Für uns ist es ein perfekter Platz für einen fast kitschigen Sonnenuntergang, den wir wenig später am Rifugio de Las Hoyas bestaunen können.
Nach einer kühlen Nacht werden wir bald von einer kompletten Nebelsuppe eingehüllt und ein ordentlicher Wind treibt die Wolken über den Kamm. Gut eingepackt geht es die letzten Meter den Kamm entlang, bevor am Alto de Velefique auf bestem Teer eine 1400 Höhenmeter Abfahrt nach Tabernas beginnt. Zum Glück kommen wir bald aus der Wolken und können nahezu ohne Verkehr in die Wärme des Tals sausen. Den auf der Karte verzeichneten Stausee gibt es hier übrigens gar nicht mehr, kein Wasser!
Durch den breiten und etwas öden Talboden, in dem es einige große Solarkraftwerke gibt, radeln wir dem hübschen Ort Lucainena de Las Torres entgegen. Dem ehemaligen Bergbau geschuldet entstand hier auf der Trasse der alten Bergwerksbahn ein fantastischer Bahntrassen Radweg, der fast 40 km Richtung Küste führt. Wir nutzen ihn für 15 Kilometer, bis wir die Autobahn A7 erreichen. Danach machen wir erste Bekanntschaft mit großen weißen Plastik-Gewächshäusern, denn wir streifen ein großes Obst- und Gemüse Anbaugebiet. Erst als wir beim Ort Fernán Pérez in den Naturpark Cabo de Gato fahren, wird es wieder wilder und einsamer. Hier beginnt eine äußerst ausgedörrte Halbwüsten-Landschaft, die wir, vorbei an der Filmkulisse des Cortijo Del Fraile, auf einer alten und groben Minenstraße (Goldabbau) durchqueren. Kurz hinter Rodalquilar haben wir dann zum ersten Mal wieder Blick auf das blaue Meer.
Bevor wir uns auf dem Campingplatz in San José die warme Dusche geniesen können, gibt es noch einen recht abenteuerlichen Abschnitt an der Küste entlang. Das erste Stück lässt sich auf einer alten Bergbaustraße (hier wurden verschiedene Mineralien abgebaut) noch ganz gut fahren, doch dann enden wir in einem von großen Steinen durchsetzen Wanderweg, auf dem wir sogar zeitweise das Gepäck einzeln tragen müssen. Entschädigt werden wir mit Tiefblicken auf eine einsame Steilküste.
San José ist uns zu touristisch, deshalb geht es am nächsten Tag auf gut fahrbaren Schotterpisten weiter, vorbei an großen Sanddünen und unzähligen riesigen Agaven. Am Cerro de Vela Blanca erreichen wir auf ca. 200 m die Teerstraße, auf der wir über den Faro de Cabo de Gata zum langen Sandstrand der Bucht von Almeria fahren. Hier beginnt am trockensten Ort Spaniens ein heißer und mühsamer Weg über eine staubige Sand- und Schotterpiste bis wir am Flughafen die Ausläufer der Stadt erreichen.
Almeria erreichen wir bei 34 Grad an einem Samstag Nachmittag. Die Stadt wirkt ausgestorben und etwas heruntergekommen. Von der interessanten alten Erzverladestation Cable Inglés aus fahren wir kurz durch die Medina, aber die Kathedrale ist verschlossen und auch die maurische Festung Alcazaba auf dem Hügel über der Stadt öffnet erst wieder in den kühleren Abendstunden. Da hält uns nicht viel und wir verlassen die Stadt über eine eher unschöne große Autostraße nach Westen.
Sierra Nevada – Granada
Nach einer mückigen Nacht am Sandstrand beim Leuchtturm Punta Sabinal durchqueren wir schon früh am Morgen DAS “berühmte” Plastikmeer von Almeria. Zeitweise stehen die mit weißen Folien abgedeckten Gewächshäuser direkt an beiden Seiten der Straße. Unterbrochen werden sie nur von Zufahrten und Wasserbecken, die den Durst der ungezählten Plantagenpflanzen decken sollen. Bis zum Hauptort El Ejido geht es kilometerlang durch den “Gemüsegarten” Europas. Abschreckend finden wir auch die sehr einfachen und vermüllten Behausungen der Hilfsarbeiter und die weißen “Krusten” eingetrockneter Flüssigkeiten am Straßenrand (Zeichen von Überdüngung und Pestiziden?).
“Plastikmeer” bei Almeria
Auf dem Anstieg hinauf nach Dalias überholen wir immer mehr Pilger, die auf der Straße entlang dem Ort zuströmen. Erst am total bevölkerten Platz vor der Kirche finden wir heraus, dass heute das Fest Cristo de la Luz zu Ende geht. Von der abschließenden Prozession und dem Böllerschießen bekommen wir nur eine Vorahnung, aber die Begeisterung der Menschen ist irgendwie faszinierend.
Nach einer kurzen Abfahrt nach Berja wird es dann aber wieder sehr ruhig und einsam. Vorbei an einem Stausee arbeiten wir uns langsam die Abhänge der Sierra Nevada empor. Nur die weißen Dörfer der Alpujarras stechen heraus. Bis Trévelez (ca. 1480 m), dem wohl höchst gelegenen Ort Spaniens und Heimat des berühmten Serrano Schinkens, führt eine gute Teerstraße. Dort beginnt für uns die Überquerung der Sierra Nevada, die mit dem Rad auf Schotterstraßen fast durchgehend befahren werden kann.
Da für den nächsten Vormittag gutes Wetter angesagt ist, wollen wir unser “Basislager” möglichst weit oben anlegen. Wir radeln deshalb durch den menschenleeren Nationalpark bis in die Dunkelheit hinein. Auf über 2100 m schlagen wir am Ende der öffentlichen Straße unser Zelt auf und packen gleich die Daunenjacken aus. Hier bläst ein starker Wind und in dieser Höhe wird es auch in Spanien nachts kalt.
Noch vor Sonnenaufgang brechen wir auf und werden nach einer guten Stunde gleich mit kämpfenden Steinböcken belohnt. Sie sind so mit sich beschäftigt, dass wir sie wirklich nahe beobachten können. Dann kommt die Sonne aus den Wolken und es ergibt sich eine unvergessliche Szenerie. Die aufgelassenen alten Schotterstraßen lassen sich bis gut 3000 m erstaunlich gut fahren. Dann stellen wir unterhalb des Refugio Vivac de la Caldera die Räder ab und besteigen den Mulhacén über eine Geröllflanke zu Fuß. Mit 3479 m ist er der höchste Gipfel der iberischen Halbinsel und sogar außerhalb von Alpen und Kaukasus der höchste Gipfel in Europa. Die fantastische Rundumsicht müssen wir nur mit wenigen Wanderern teilen. Wir haben den Höhepunkt unserer Tour erreicht!