Helsinki – St. Petersburg – Tallinn – Riga
August 2018
Radroute durch das Baltikum
Finnland
Mit den eigenen Rädern im Flugzeug zu verreisen ist immer spannend, auch wenn es “nur” nach Finnland geht. Die Räder sind bei Lufthansa angemeldet (und kosten 50 Euro pro Rad und Strecke). Dieses Mal müssen wir aber leider zwingend Kartons für die Räder kaufen (noch einmal 20 Euro pro Rad). Der Service am Lufthansa Sperrgepäck in München ist aber sehr freundlich und hilfsbereit und so sind die Räder bald gut verpackt. Am Ende kommen sie bestens in Helsinki (Finnland) an und nur eine Stunde nach der Landung sind wir fahrbereit. Die nächste große Radtour kann beginnen. Vom Flughafen in Vantaa geht es gut 10 km Richtung Helsinki. Wir sind begeistert, überall gut ausgebaute Radwege. Nach dem ersten Einkauf und Tanken für den Kocher finden wir an einem Fluss eine schöne Zeltstelle. Bei bestem Wetter genießen wir den ersten finnischen Abend, mückenfrei.
Meist an einem Fluss entlang gelangen wir nahezu autofrei ins Zentrum von Helsinki. Wir haben uns nur ein paar Highlights ausgesucht und die sind mit dem Rad schnell erreicht: Sibelius Monument (hier wimmelt es von asiatischen Touristen), Temppeliaukion Kirche (Felsenkirche), Bad Boy (ein lustiges Kunstwerk am Westhafen), der zentrale Platz an der Senatskirche und die Uspenskin Kathedrale (größte russisch orthodoxe Kirche Westeuropas). Den Hafen und die vielen Jugendstil Fassaden bekommen wir auf der Durchfahrt mit.
Beim Hinausradeln nach Osten baden wir an einem Sandstrand im Meer. Wieder führt der Weg fast autofrei über Radwege. Erst am Stadtrand geht es auf die 170, eine größere Überlandstraße, der wir nun mit kurzen Unterbrechungen bis zur russischen Grenze folgen werden. Es gibt aber über große Strecken einen breiten Radweg oder einen Seitenstreifen. Überhaupt ist alles radfreundlich. Selbst bei der Querung von Seitenstraßen hat der Radfahrer Vorfahrt und die Finnen fahren sehr rücksichtsvoll. Nach 60 km biegen wir Richtung Meer ab und finden eine schöne Zeltstelle. An den kommenden beiden Tagen ist das Wetter perfekt zum Radfahren, leicht bewölkt, mal ein kurzer Schauer und immer ein starker Rückenwind. Teils ist es erstaunlich hügelig, es geht immer wieder über kleine Kuppen und so kommen pro Tag ca. 500 Höhenmeter zusammen. Auf der 170 kommen wir im Verlauf durch Porvoo, Loviisa, Kotka und Hamina. Wir baden im kühlen Meer und in warmen Seen und zelten unterwegs an einer Badestelle an einem Stausee.
Nach Hamina folgen wir für 35 km der 3513, einem Teil des alten “Kungsvägen“. Die Straße ist kleiner, kurviger und ein ständiges Auf-und-Ab. Dafür ist der Verkehr weniger und die Landschaft abwechslungsreicher. Wenige km östlich von Virojoki übernachten wir auf einem fast leeren Campingplatz direkt am Wasser. Bei klarem Himmel sinkt die Temperatur nachts auf 10 Grad. Nach 260 km in Finnland fehlen nur noch gut 10 km bis zur russischen Grenze.
Radfahren in Finnland
Helsinki ist radfreundlich, die Fernstraße 170 hat wenig Verkehr und ein meist guter Radweg ist vorhanden, Nebenstraßen haben sehr wenig Verkehr.
Russland
Der Grenzübertritt von Finnland nach Russland funktioniert reibungslos. Voraussetzung ist natürlich ein gültiges Touristenvisum. Die Ausreise aus Finnland ist nur eine kurze Passkontrolle. Dann geht es ca. 2 km durch Niemandsland zur russischen Kontrollstation, wo wir als Radfahrer die Autoschlange umfahren können. Nur das Ausfüllen des Einreiseformulars dauert etwas. Unser Gepäck wird aber nicht kontrolliert.
Was sind die ersten Eindrücke? Alles ist natürlich nur kyrillisch geschrieben. Für uns als Radfahrer aber wichtiger: Es gibt keinen Radweg, man ist eigentlich nur ein Hindernis für die LKWs. Die ersten gut 50 km bis Vyborg versuchen wir uns daran zu gewöhnen, auf dem zum Glück vorhandenen ca.1 Meter breiten Seitenstreifen zu fahren. Denn die Autos und LKWs rasen ohne auszuweichen an einem vorbei. Die Landschaft ist relativ eintönig, Wald auf beiden Seiten, in dem nur wenige ärmliche Holzhäuschen stehen.
In Vyborg ziehen wir mit einer Visa-Karte ohne Probleme Rubel an einem Bankautomaten. Dann kaufen wir in einem Telefonladen eine russische SIM Karte (Beeline, 12 GB Datenvolumen, 300 Telefonminuten für 350 Rubel, ca. 4,60 Euro). Die Bedienung ist sehr bemüht und wechselt uns sogar in einen günstigeren Tarif. Dabei ist die Verständigung ohne Englisch gar nicht einfach. Eine Erfahrung, die wir später noch öfter machen werden: Die Englisch Kenntnisse beschränken sich meist auf sehr wenige Worte. Leider ist die Altstadt von Vyborg wegen eines Filmdrehs gesperrt. So verlassen wir die Stadt bald und fahren durch die scheußlichen Plattenbauten der Vororte. Der Verkehr ist stark am Abend, vor allem LKWs und Busse fahren manchmal sehr nahe und schnell an uns vorbei. Etwas genervt suchen wir uns bald einen Platz, an dem wir ungestört unser Zelt aufschlagen können.
Am nächsten Morgen ändern wir unsere Route etwas, da wir für den Abend eine Zusage von einem Warmshowers Host erhalten haben. Bei Emilowo verlassen wir die Hauptstraße und queren nach Osten durch das Hinterland. Hier sind einige Straßen nur Schotterpisten mit Schlaglöchern. Zum Ausgleich können wir aber bei Rjabowo in einem großen See baden, denn es ist auch hier 30 Grad heiß. Die Fahrt durch das ärmliche Hinterland ist ernüchternd. Es geht durch Wald, in dem immer wieder verstreut teils recht heruntergekommene Holzhütten stehen oder durch Orte, deren Bauten sich vom sowjetischen Verfall noch nicht erholt haben. Die Versorgung mit Essen ist allerdings kein Problem, sobald man es gelernt hat, einen russischen Landladen von außen zu erkennen. Und geöffnet sind sie fast immer, auch sonntags!
Unser Host wohnt in einem der typischen nicht verputzten Mehrfamilienbauten aus der Sowjetzeit. Wie auch die anderen Häuser in dieser Gegend gibt es kein fließendes Trinkwasser! Es muss mit Kanistern von einem Ziehbrunnen geholt werden. Die Wohnung ist in einem total desolaten Zustand, klein und chaotisch vollgestellt. Mit einer Ausrede lehnen wir das Übernachtungsangebot ab, denn ein Bad im nahegelegenen See und eine ruhige Nacht im Zelt ziehen wir unter diesen Umständen vor. Und so genießen wir einige Kilometer weiter unseren “Luxus” im Wald.
Die letzte Etappe nach Sankt Petersburg geht zunächst weiter über viel befahrene Straßen, bevor wir bei Selenogorsk an der Küste meist auf Radwegen am finnischen Meerbusen entlang fahren. Teils gibt es hier schöne Sandstrände, doch das Wasser ist nicht einladend, es sieht Algen-belastet aus.
Verkehr und Straßengrösse nehmen Richtung Sankt Petersburg zu, doch auch ohne Radweg fühlen wir uns auf der rechten, meist breiteren Spur nicht unsicher. Durch Vororte mit unzähligen hohen Wohnblocks geht es vorbei am einzigen Wolkenkratzer der Stadt an das Ufer der Newa. Unser 2 Tage vorher gebuchtes Appartement liegt mitten in der Stadt. Die Anfahrt ist erstaunlich unproblematisch, anstrengend sind nur die für Sankt Petersburg ungewöhnlichen 32 Grad. Wir haben nun 2 Tage Zeit uns die ehemalige Hauptstadt des russischen Zarenreichs und heutige 5 Millionen Metropole anzuschauen.
Tagsüber laufen wir zu Fuß durch die Stadt, fahren mit der Metro zur Gedenkstätte zur Belagerung Leningrads im 2. Weltkrieg und radeln abends entlang der Newa. Es ist zum Glück kühler geworden. Besonders gefällt uns, dass zumindest in der Innenstadt die alte Bausubstanz erhalten wurde und es ganze Straßenzüge ohne Neubauten gibt. Die Kanäle und breit angelegten Straßen lockern das Stadtbild auf und immer wieder stößt man auf barocke Paläste und Museen. Es ist sehr lebendig in der Stadt, an den touristischen Hotspots sogar zu viel! Auch wir lassen uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten nicht entgehen: Newski Prospect, Erlöserkirche, Isaac-Kathedrale, Kasaner Kathedrale, Admiralität, Schlossplatz, Smolny Institut, historisches Kriegsschiff “Aurora”, Peter und Paul Festung … Und natürlich den Winterpalast der Zaren und die Eremitage. Hier wimmelt es allerdings so von meist asiatischen Touristen, dass der Eindruck dieser unglaublichen Ansammlung an Kunstwerken in prunkvollen Sälen etwas getrübt wird. Zwischendurch stärken wir uns mit russischen gefüllten Blini (Pfannkuchen) oder Leckereien in Bäckereien. Die Lebenshaltungskosten und Eintritte sind dabei deutlich niedriger als bei uns, außer der Eremitage (700 Rubel, ca. 9 Euro).
Peter-und-Paul Festung und Winterpalast an der Newa
Highlights aus St. Petersburg
Gedenkstätte zur Belagerung Leningrads im 2. Weltkrieg
Eremitage (einmalige Säle, die Kunstwerke sind zu viele)
Zurück auf den Rädern fahren wir an einem Kanal entlang und über endlose Ausfallstraßen an Industrieanlagen und Trabantenstädten vorbei nach Westen Richtung Peterhof aus der Stadt hinaus. Nach ca. 35 km erreichen wir den Sommerpalast und die umgebende riesige Parkanlage der Zaren. Da es Montag ist, haben die Paläste und Museen geschlossen. Aber schon die Gartenlage und die zahlreichen, teils vergoldeten Wasserfontänen sind einen Besuch wert. Unsere Räder können wir währenddessen samt Gepäck am bewachten Parkeingang abstellen.
Peterhof, Sommerpalast der Zaren
Am Nachmittag ziehen wir weiter und folgen der viel befahrenen Küstenstraße nach Westen. Der LKW-Verkehr ist unangenehm, da diese oft nur recht knapp an uns vorbeirauschen und es hier weder einen guten Seitenstreifen noch einen Radweg gibt. Als Warnsignal/Abstandshalter befestigen wir einen Stock mit Fähnchen am Gepäck. Wir haben den Eindruck, dass dies einige Fahrer zum langsamer fahren bzw. ausweichen bringt. Kurz vor dem Ort Lebjasche werden wir an einem Kontrollposten aufgehalten. Nach einer Passkontrolle verstehen wir, dass der gesamte Küstenstreifen im Westen seit 2017 für Ausländer gesperrt ist, dass wir ca. 7 km zurückradeln müssen und eigentlich nur auf der großen Straße A120 und A180 nach Ivangorod (Narva in Estland) fahren dürfen. Uns bleibt nichts anderes übrig und wir sind nicht begeistert, 150 km auf einer LKW-Route zu fahren. Nach einiger Zeit auf dieser Hauptroute stellen wir aber fest, dass der durchwegs gute Teer und der ca. 1 m breite Seitenstreifen diese Etappe erträglich machen. Wir kommen gut voran. Die A120 ist wenig befahren, doch die A180 ist die Hauptverbindung zwischen Russland und Estland. Dementsprechend viele Lastwägen sind unterwegs. Unser Rückspiegel hilft, sich auf die heranrauschenden LKWs gefasst zu machen. Landschaftlich ist die Strecke eher eintönig, anfangs viel Wald, später etwas offener mit nur wenigen Dörfern.
Ivangorod ist eine reine Grenzstadt, die auch wir nur durchqueren. Der Grenzübertritt nach Narva, Estland, ist problemlos. Man schiebt dabei die Räder durch die Kontrolle der Fußgänger, überquert den Fluss Narva und merkt schon auf den ersten Metern, dass das Abenteuer Russland vorbei ist. Auch am östlichen Ende der EU merkt man den Unterschied im Lebensstandard und in der Pflege der Gebäude und Anlagen sofort.
Rad-Resümee Russland
Russland haben wir radtechnisch als nicht entwickelt erlebt, gut sind aber die oft vorhandenen Seitenstreifen und Ampeln mit Sekundenanzeige. Bis auf wenige Ausnahmen wird auf Radfahrer einigermaßen Acht gegeben. Geschwindigkeitsbegrenzungen scheint es aber nur durch die PS-Zahl des Fahrzeugs zu geben! Wildzelten war kein Problem, nur die Versorgung mit Trinkwasser ist nicht einfach. Flüsse und Bäche sahen nicht sauber aus und so sahen wir uns 2 Mal gezwungen, Wasser in Flaschen zu kaufen. Das alles können wir aber nur für einen winzigen Teil im äußersten Westen dieses riesigen Landes beurteilen.
Estland
Die erste Nacht in Estland zelten wir nördlich von Narva direkt am Grenzfluss zu Russland. Später kommt sogar die Grenzpolizei vorbei, doch solange wir kein Feuer machen, ist es ok. Im weiteren Verlauf folgen wir meistens dem hier zum ersten Mal beschilderten Eurovelo 10 Radweg (EV10). Es geht entlang der Nordküste, oft am Rand einer Steilstufe ca. 50 m über dem Meer. Manchmal ist es auch eine Schotterpiste, die einsam durchs Hinterland führt. Wir genießen es endlich einmal bei fast keinem Verkehr unterwegs zu sein. An der Mündung des Flusses Purtse zelten wir direkt am Strand. Ein schöner Sandstrand lädt sogar zu einem kurzen Bad im kühlen Meer ein.
Nach ca. 12 km auf der Narva- Tallinn Straße #1 geht es auf einer wenig befahrenen Nebenstraße fast 10 km schnur-geradeaus bis Künda. Bald danach machen wir einen Abstecher an die Küste. Hier stehen die mächtigen Überreste der mittelalterlichen Deutschordensburg “Tolsburg“. Die Ruine steht auf einer kleinen Landzunge und ist umgeben von einer unverbauten Küstenlandschaft. Nach weiteren ca. 15 km, oft wieder steil über dem Meer, erreichen wir den Laheema Nationalpark. Der folgende Abschnitt, durch einsamste Kiefern-Wälder, über Forststraßen oder kleine Teerstraßen, ist für uns der landschaftliche Höhepunkt der gesamten Tour. Über den alten Fischerort Altja und Vösu geht es auf die Halbinsel Käsmu. Am Westufer finden wir ein einsames Plätzchen zum Zelten und bestaunen bei bestem Wetter den Sonnenuntergang.
Am nächsten Tag folgen wir dem EV10 bis zum Fluss Jägala Jõgi. Direkt unter der Straßenbrücke gibt es eine Badestelle, um sich im moorigen Wasser abzufrischen. Nur 2 km weiter bestaunen wir den schönen Wasserfall Jägala Juga, der zwar mit 5 m nicht besonders hoch, aber in dieser flachen Landschaft etwas unerwartet ist. Über eine halbrunde, flache Felsplatte fällt das Wasser in ein Becken. Auch hier hätte man gut baden können. Nach 10 km auf kleinen Nebenstraßen kommen wir zu einem Industriegebiet bei Maardu. Ab hier geht es über stark befahrene Straßen in ca. 15 km ins Stadtzentrum von Tallinn. Radwege gibt es fast keine, nur viele LKWs. Wir haben uns dieses Mal für ein relativ zentral gelegenes Hostel entschieden (Hostel 31: Für den Preis ok, einfach, aber sauber. Nur Ohrstöpsel sollte man dabei haben!).
Dann gibt es einen Tag Sightseeing in Tallinn. Die Altstadt ist hergerichtet wie ein Freilichtmuseum mit vielen Gebäuden aus dem Mittelalter. Die Ober- und Unterstadt sind über einen kleinen Hügel angelegt, umgeben von einer teilweise noch erhaltenen Stadtmauer. Das zieht natürlich viele Touristen an. Wenn dann noch Kreuzfahrtschiffe angelegt haben, wird es fast ein bisschen zu viel Tourismus. Trotzdem tut es gut, nach weiteren gut 500 km auf dem Rad einen Tag zu Fuss zu verbringen.
Die Altstadt von Tallinn
Linnahall – eine “schöne” Ruine
Die folgenden Radtage durch Estland, auf gerader Strecke nach Pärnu, beginnen mit Regen und kühlen Temperaturen. Über die Straßen #4 und #15 geht es aus Tallinn heraus. Trotz Sonntag ist viel Verkehr. Bei Tödva wechseln wir auf kleine Landstraßen. Das Wetter wird wieder besser, der Verkehr ist weg und es wird sehr ländlich. Nach Hageri folgen wir der Straße #20101. In der Nähe von Rapla schauen wir den Fallschirmspringern zu, dann geht es ein kurzes Stück über die #12 und weiter auf der #20148. Bevor die Straße in die #27 mündet, gibt es ein 10 km Geradeaus-Stück. Es gibt nur wenige Dörfer, immer wieder einsame Strecken entlang großer Wiesen und Feldern und durch Wälder. Wir sehen Störche und Kraniche, aber leider keinen Elch. Kurz vor Järvakandi finden wir an einem kleinen Badesee eine gute Zeltstelle. Der Ort ist über längere Strecken die einzige Einkaufsmöglichkeit.
Am nächsten Morgen können wir gerade noch zusammenpacken, bevor der angekündigte Dauerregen einsetzt. So verbringen wir 8 Stunden auf der gut geschützten Bühne des Kulturhauses, wo die Dachrinne auch unseren Wassernotstand löst. Außer einer Glasfabrik ist der Ort “sehr ruhig”. In einer kurzen Regenpause wagen wir am Nachmittag die Weiterfahrt: Über die #27 bis Kergu, dann auf der #19211 und der #19210. Teile der sehr einsamen Strecke sind nur Schotterpisten. Die Regenschauer und die tief-hängenden Wolken erzeugen eine fast mystische Stimmung. In der beginnenden Dämmerung sichten wir dann sogar auf einer Lichtung in ca. 100 m Entfernung einen einzelnen Wolf. Das belohnt für den immer stärker werdenden Regen. Kurz nachdem wir auf die Schnellstraße 4 treffen, erreichen wir triefend nass den Campingplatz am Sauga Jögi Fluss, ca. 6 km nördlich von Pärnu.
Unsere Hoffnungen auf eine trockene Hütte sind allerdings schnell verflogen, denn der Platz ist voller Radler, bzw. “Bike-Messenger”, die hier auf ihrem Weg zur Weltmeisterschaft in Riga einen Zwischenstopp eingelegt haben. Die bunte Truppe lädt uns gleich zum Essen ein, immerhin sind wir, wie sie, den Tag im Regen gefahren. Erst spät bauen wir das Zelt auf. Der Regen hat aufgehört.
Und am Morgen scheint die Sonne wieder, zumindest zeitweise. Das beschauliche Pärnu mit seinem großen Sandstrand durchfahren wir nur. Nach einem schönen Radweg an der schilfigen Küste entlang folgen wir für 25 km der Schnellstraße #4. Aber es gibt auch hier einen guten Seitenstreifen, der den starken LKW Verkehr erträglich macht. Ab dem Fluss Rannametsu Jögi können wir auf eine kleine, an der Küste entlang laufende Straße wechseln. Wir beenden den Tag bei Kabli. Hier gibt es ein Schutzgebiet mit einem Vogelbeobachtungsturm und einen kleinen Forschungsstützpunkt. Da der Westwind inzwischen Sturmstärke angenommenen hat, sind wir froh, für die letzte Übernachtung in Estland einen etwas geschützten Zeltplatz gefunden zu haben.
Marschland südlich von Pärnu
Radfahren in Estland
Radwege gibt es nur durch die Orte, Schnellstraßen haben gute Seitenstreifen, Nebenstraßen oft Schotter, sind aber gut zu fahren. Auto- und LKW Fahrer fahren recht rücksichtsvoll und weichen aus. Der Eurovelo 10 ist immer wieder ausgeschildert. Wildzelten ist problemlos.
Lettland
Bei Ikla, einem kleinen Küstenort, radeln wir über die Grenze von Lettland. Erkennen kann man sie nur an einem Pfosten und dem Schild “Latvija“. Landschaft und Häuserstil ändern sich nicht, wohl aber die Sprache, die wir aber eh nicht verstehen. Nach wenigen Kilometern in Lettland sind wir wieder gezwungen, auf der Schnellstraße #4 (hier A1, “Via Baltica”), weiter zu fahren. Zum Glück gibt es auch in Lettland fast durchgehend einen guten Seitenstreifen. Die Radroute ist in Lettland überwiegend mit EV13 (hier gleich verlaufend mit EV10) beschildert. Nach ca. 40 km mit langen geraden Waldstücken zweigen wir bei Tüja zur Küste ab. Die Nebenstraßen sind auch hier oft Schotter. Wenige Kilometer südlich finden wir einen traumhaften Zeltplatz an einem einsamen Sandstrand. Es wird unsere letzte Nacht in der Wildnis. Noch einmal können wir die recht frische Ostsee genießen und nachts funkeln die Sterne von einem wolkenlosen Himmel.
Einen Zugang zum Meer zu finden, ist oft gar nicht so einfach. Von der Hauptstraße führen nur kleine Stichstraßen zur Küste und diese enden oft bei Grundstückseinfahrten mit Verbotsschildern. Oder es gibt gar keine Wege und Straßen, oder das Meer versteckt sich hinter einem Schilf- und Schlickgürtel.
Der letzte Radtag beginnt mit noch einmal 10 km Schnellstraße. Auf kleinen Straßen geht es weiter durch den langgezogenen Küstenort Saulkrasti. Dann kürzen wir die Radroute über die Schnellstraße ab, überqueren den Fluss Gauja und fahren nach weiteren ca. 10 km an bzw. sogar auf den Sandstrand nördlich von Riga. Hier herrscht richtiger “Strandbetrieb”. Mit wenigen Unterbrechungen erstreckt sich über 30 km feinster Sand, auf dem wir in Wassernähe sogar einige Kilometer Richtung Riga radeln. Die restlichen 15 km ins Zentrum von Riga folgen wir der beschilderten Radroute. In der Stadt ist das manchmal etwas mühsam, da es einen Radweg meist nur auf einer Straßenseite gibt und diese öfters gewechselt wird.
Auf der Insel Kipsala im Fluss Daugava schlagen wir das Zelt auf dem “Riverside” Campingplatz auf. Direkt am Wasser genießen wir den Blick auf die in der Abendsonne beleuchtete Altstadt schräg gegenüber. Nach gut 1400 km haben wir unser Ziel erreicht!
Riga – Panorama der Altstadt am Fluss Daugava
Es bleibt uns aber noch 1 Tag, um mit den Rädern Riga zu besichtigen. In einer Runde durch die Altstadt schauen wir uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an und bestaunen zum Abschluss von der Aussichtsplattform der Akademie der Wissenschaften, einem gut erhaltenen Hochhaus im sowjetischen “Zuckerbäcker-Stil”, Riga von oben. Die Altstadt hat keine so einheitliche Architektur wie Tallinn oder St. Petersburg, sondern einzelne gut restaurierte Gebäude und Kirchen aus verschiedenen Epochen. Schön ist die Lage am größten lettischen Fluss, der Daugava, auf dem leider Kreuzfahrtschiffe sogar bis zur Altstadt vordringen können.
Riga – Panorama der Altstadt
Radfahren in Lettland
Ähnlich wie in Estland. Nur ist die Route hier meist mit EV13 beschildert. Die Seitenstreifen auf den Schnellstraßen sind schmäler, aber ausreichend. Wir waren aber nur in einem kleinen Teil Lettlands unterwegs.
Riga – nach 1350 km haben wir zusammen mit unserem Sohn das Ziel erreicht!
Ausrüstung
Wir werden nicht von Sponsoren unterstützt! Die Markennamen werden nur genannt, um euch entsprechende Infos weiterzugeben und sind somit keine Werbung oder Empfehlung.
Räder
Wohnen
Kochen
Unsere Route durch das BALTIKUM
BLAU = Rad-Route um die Ostsee
ZELT = Biwakstellen (Hinweis: Die Biwakstellen markieren nur die “ungefähren” Bereiche, in denen wir einen geeigneten “Platz” gefunden haben)
Punkte = Übernachtungen in Zimmer/Apartment