August 2019
Unsere Radreise durch Kirgistan
Bishkek und Issyk Kul
Unsere Radreise durch Kirgistan, eine der ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien, beginnt mit einem Flug nach Bishkek. Pegasus Airlines bringt uns mit einem Zwischenstopp in Istanbul pünktlich in die Hauptstadt Kirgistans und so stehen wir mit unseren gut verpackten Rädern (Kosten: 50 Euro pro Rad als Sportgepäck, den Karton organisieren wir uns vorher in einem Radladen) an einem heißen August Morgen am Manas Airport, ca. 30 km nördlich des Stadtzentrums. Von 2 geschickten Taxifahrern werden wir überredet, für überhöhte 30 Euro (kostet im Durchschnitt nur die Hälfte!) in einem Van samt den Radkartons zu unserem Hotel zu fahren (Viva Hotel, in der Nähe des Osch Bazars gelegen und sehr zu empfehlen). So können wir die durchflogene Nacht und die 4 Stunden Zeit-Verschiebung bald in Ruhe kompensieren.
In den folgenden knapp 2 Tagen erkunden wir, teils mit dem Rad, die Stadt mit ihren Bazaren, Moscheen und den relativ wenigen sehenswerten Bauwerken, die oft noch aus der Sowjetzeit stammen. Für unsere Radreise organisieren wir eine SIM Karte, ein paar Essensvorräte und versuchen herauszufinden, wie wir mit den Rädern im Zug an den Issyk Kul fahren können. Da für die nächsten Tage auch für hier ungewöhnliche Temperaturen von bis zu 40 Grad angesagt sind, wollen wir uns die erste Strecke von ca. 200 km sparen und die Tour bei Balyktschy auf 1600 m Höhe beginnen.
Sehenswürdigkeiten in Bishkek
Osch-Bazar in Bishkek
Unsere geplante Rundtour durch das östliche und zentrale Kirgistan durchquert das Tian Shan Gebirge und folgt in weiten Teilen der Route des Silk Road Mountain Races (SRMR). Dabei fahren wir die Tracks dieses legendären Bikepacking Races in umgekehrter Richtung und treffen so alle Fahrer des zeitgleich stattfindenden diesjährigen Rennens. Sehr beeindruckend! Wir lassen uns aber etwas mehr Zeit und sind auch eher mit einem Reiserad Setup unterwegs. Das funktioniert aber erstaunlich gut. An den wirklich heiklen Stellen muss jeder schieben, auch Bikepacker.
Bevor es losgeht, gibt es vorab schon das Resümee
Kirgistan wurde 1991 unabhängig und ist die einzige parlamentarische Demokratie in diesem Teil der Erde. Deutsche Staatsbürger benötigen für die Einreise kein Visum. Es ist ein recht armes Land, das praktisch nur aus Gebirge besteht und von ca. 6 Millionen Menschen bewohnt wird. Diese haben wir als äußerst freundlich und aufgeschlossen erlebt. Dass sie einen Radfahrer manchmal zu nah überholen, liegt wahrscheinlich daran, dass sie zur Fortbewegung nur Autos und Pferde kennen. Radfahrer gibt es nur als Touristen. Da der Verkehr außerhalb der Orte aber sehr dünn ist, können wir damit aber leben. Die Straßen selber sind sehr unterschiedlich. Unbefestigte Straßen gibt es in allen Variationen: Lockere Schotterpisten – oft mit Wellblech -, sandige Bereiche, festgefahrene Lehmstraßen, Fahrspuren in ganz kurz gefressenen Wiesen. Es gibt auch ein paar Teerstraßen. Manche bestehen nur aus einem Flickenteppich und man sehnt sich sogar eher eine Schotterpiste herbei.
Bei ein bisschen Bescheidenheit ist die Versorgungslage auch auf dem Land gut. Jedes mittelgroße Dorf hat einen Laden, den man oft an den auffälligen Werbeschildern der Telefongesellschaften erkennt. Dieser bietet dann zumindest Grundnahrungsmittel (Brot, Nudeln, Reis, Linsen, Bohnen, Bier, Wodka und ein paar Konserven), Eis, Getränke, Kekse und Bonbons in allen Variationen. Frisches gibt es meist nur das, was in der Umgebung gerade geerntet wird. Bis auf Trockenfrüchte und Nüsse für unser Müsli kaufen wir alles unterwegs ein und so transportieren wir Essen immer nur für ein paar Tage.
Wasser ist schon eher ein Problem. Im August ist es sehr trocken, durch Gewitter wird so mancher Bach zur “Schokoladensoße”, und in manchen Gegenden ist das Wasser ganz versiegt. In den Dörfern stehen entlang der Straßen meist Brunnen. Sie sind alle einheitlich gebaut und stammen wahrscheinlich aus der Sowjetzeit. Wenn sie funktionieren, dann gibt es fantastisches kaltes Wasser, das wir immer direkt getrunken haben. Es gibt aber auch Dörfer, in denen die Wasserversorgung inzwischen bis in die Häuser geführt wurde und alle Brunnen im Dorf verfallen sind. Wir haben dann einfach bei Bewohnern gefragt und mussten nie verdursten! Außerhalb haben wir das Wasser aus Bächen aber meist gefiltert, denn Tiere und deren Hinterlassenschaften gibt es überall.
Leider hat auch Kirgistan ein Müllproblem. Auf den entlegensten Weiden findet man PET-Flaschen, Plastiktüten und leere Wodkaflaschen: Gerade diese oft als Scherbenhaufen und wir wundern uns, dass wir bis zum Schluss keinen Plattfuß hatten.
Das Wetter haben wir auch im August als recht wechselhaft erlebt, was aber auch sehr davon abhängig ist, in welcher Höhenlage man sich gerade befindet. Ein Tag mit Nachtfrost kann bis mittags über 30 Grad heiß werden. Wir sind viele Tage in T-Shirt und Sandalen unterwegs gewesen, an anderen Tagen waren Mütze und Handschuhe fast zu wenig. Oft haben sich bis zum Nachmittag bedrohliche Gewitterfronten mit einem entsprechenden Wind aufgebaut, aber geregnet hat es bei uns immer nur nachts.
So, aber nun geht es los
Früh am Morgen radeln wir durch das erwachende Bishkek zum Bahnhof “Bishkek 2” (es gibt auch den kleineren Bahnhof “Bishkek 1”, der aber von unserem Zug nicht bedient wird). Die Fahrkarten bekommt man nur eine halbe Stunde vor Abfahrt direkt im Bahnhof. Mit dem Google Übersetzer klappt es ganz gut (50 Som pro Person, 69 Som pro Rad) und so beginnen wir um 6:40 Uhr in einem als historisch zu bezeichnenden Zug die ca. 5 stündige Fahrt zum Issyk Kul. Die Räder werden an den Beginn des ersten Wagons gepackt. Der Zug fährt nur im Sommer und nur einmal am Tag und ist ziemlich voll, alles Kirgisen, die der Hitze der Stadt entfliehen wollen. Langsam rumpeln wir in dem immer heißer werdenden Zug durch die abgeernteten Getreidefelder und dann eine lange Schlucht bis Ribatsche (Рыбачье) bei Balyktschy, die Endstation der Bahnstrecke zum Issyk Kul. Nicht weit vom Seeufer beginnen wir in dieser etwas trostlosen Gegend unsere Radtour.
Die Teerstraße entlang des Südufers des ca. 180 km langen Issyk Kul ist geteert. Die erste Etappe ist flach und wir müssen uns erst an den wirklich teils sehr schlechten Teer und die wenigen, aber schnell fahrenden Autos und Minibusse gewöhnen. Es ist auch hier über 30 Grad heiß, so dass wir schon bald das erste Mal baden gehen. Das Wasser ist leicht salzhaltig, meist klar und angenehm warm und die vorhandenen Sandstrände werden auch gerne von den Kirgisen genutzt. Die Landschaft wechselt von sehr trockenen Bereichen zu saftig grünen Feldern und Aprikosenbäumen. Entscheidend dafür ist, ob Wasser aus den Bergen über Bewässerungskanäle herangeführt werden kann. Die teils vergletscherten Berge begleiten uns von Anfang an. Sie sind aber oft ab mittags in dunkle Gewitterwolken gehüllt.
Die zweite Etappe führt uns über den ersten kleinen Pass, Keksken Pass (2070 m). Früh morgens ist deutlich weniger Verkehr und wir können die sehr trockene und faszinierende Landschaft und die anschließende Abfahrt Richtung Bokonbayevo auf gutem Teer genießen. In diesem quirligen Ort versorgen wir uns mit Lebensmitteln und suchen uns bald danach den nächsten Strand, um die heiße Mittagszeit am und im Wasser zu verbringen. Der weitere Abschnitt am See entlang wirkt etwas touristischer, doch manches wurde einmal groß aufgebaut und verfällt nun. Kurz vor Tamga finden wir dann einen schönen Campspot direkt am See.
Dann geht es in die Berge. In den nächsten Etappen werden wir das Tian Shan Gebirge auf bis zu fast 4000 m hohen Pässen überqueren.
Sonnenaufgang am Issyk Kul
Etappen:
Bishkek – Issyk Kul (Zug) -> ca. 170 km
1. Balyktschy – Kara Talaa -> 42 km, 140 hm
2. Kara Talaa – Tamga -> 95 km, 700 hm
Issyk Kul bis Naryn
Nachdem wir uns im Ort Barskoon nochmals mit Lebensmitteln versorgt haben, verlassen wir den Issyk Kul und beginnen den Anstieg auf den Barskoon Pass. Hinter dem Ort beginnt die Schotterpiste, die auch zur weit hinter der Passhöhe liegenden Goldmine Kumtor (unter kanadischer Lizenz) führt. Deshalb ist sie einerseits gut angelegt (breit und nicht wesentlich über 10 % Steigung) und gepflegt (wird regelmäßig gegen den Staub gewässert), aber auch von Sattelschleppern und Schwerlast-Bussen genutzt, da die Mine scheinbar Unmengen an Treibstoff benötigt und mehrere Tausend Mitarbeiter transportiert werden müssen. Im unteren Teil des langen Tals entlang des Barskoon Rivers besteht der Verkehr aber zunächst überwiegend aus kirgisischen Ausflüglern, die zu den Barskoon Wasserfällen und dem Denkmal für Juri Gagarin unterwegs sind.
Mit jedem Kilometer lassen wir die Hitze etwas hinter uns und können den Wechsel der Landschaft genießen. Am Beginn ist es noch sehr trocken und braun, dann wird es immer grüner und von den Flanken stürzen sich Bäche Richtung Tal. In Höhenlagen zwischen ca. 2000 und 2800 m kommen wir durch lichten Wald aus schlanken und riesigen Tian Shan Tannen. Es sieht ein bisschen aus wie in den Alpen. Nach dem Denkmal für Juri Gagarin sind wir erstaunlicherweise fast alleine auf der Straße. Der Verkehr zur Mine ist erträglich. Schwieriger wird es mit dem Wasser, denn im oberen Teil des Tales sind alle Bäche und der Barskoon River mit viel Sediment geladen. Wir sind froh, dass wir von dem Posten am Checkpoint (auf ca. 2800 m) etwas Trinkwasser bekommen. Dann beginnen die Serpentinen und die Aussicht auf die vor uns liegenden Gletscherberge wird immer beeindruckender. Auf ca. 3200 m schlagen wir in der Nähe einer Quelle unser Zelt auf. Wir haben Glück mit dem Wetter, denn die häufig nachmittags auftretenden Gewitter sind heute ausgeblieben.
Trotz der Höhe schlafen wir gut. Das Wetter hält und so haben wir bald die verbleibenden 600 Höhenmeter hinter uns. Spannend wird es nur an einem Erdrutsch, dessen Schlamm von großen Raupen verteilt wird. Bei angenehmen Temperaturen erreichen wir die Passhöhe des Barskoon Passes (3819 m). Hier öffnet sich die Landschaft und wir rollen auf der Südseite gemächlich durch Seen und eine Tundra-ähnliche Hochfläche. Schon bald biegen wir nach Westen in eine deutlich kleinere Fahrspur ab, die uns nach kurzen Anstiegen auf die Passhöhe des Ara Bel Passes (3845 m) bringt. Außer sehr wenigen Jurten ist es hier absolut einsam. Wir haben mit unseren Rädern diese wunderschöne Strecke für uns alleine.
Hochplateau am Barskoon Pass
Dann folgt die steile und steinige Abfahrt ins obere Burkhan Tal und wir tauchen ein in eine Graslandschaft, die von unzähligen Pferden, Schafen und Rindern bevölkert ist. Nach der anfänglichen Steilstufe geht es auf einer erstaunlich gut zu fahrenden Fahrspur immer leicht bergab. Die Strecke bleibt auf der Nordseite des stetig größer werdenden Flusses und die ersten Jurten und Menschen treffen wir erst nach gut 10 km. Da es hier keine Brücken für die Seitenbäche gibt, müssen wir öfters furten. Eine dieser Querungen durch gut knietiefes, milchiges Wasser ist dabei etwas anspruchsvoller.
Wasser kommt heute auch von oben. Am Nachmittag zieht ein bedrohliches Gewitter auf und wir schaffen es gerade noch rechtzeitig, das Zelt aufzustellen. Zwischen den Gletscherbergen, einsam in einem Hochtal auf über 3000 Meter ist das wirklich beeindruckend. Es wird die erste kühlere Nacht unserer Tour, denn es regnet durch.
Am kommenden Vormittag bessert sich das Wetter aber schnell und den Rest dieses wunderschönen Tales fahren wir bei strahlendem Sonnenschein über teils nur spärlich sichtbare Fahrspuren in den kurz gefressenen Wiesen. Nachdem wir auf die Straße, die vom Tosor Pass kommt, gestoßen sind, wird das Tal nochmals weiter. Die Straße wird größer, es beginnt aber auch das erste Wellblech im Schotter. Oft können schlechtere Abschnitte auf Fahrspuren in den Wiesen umfahren werden. Diese sind besser als so manche Teerstraße in Kirgistan.
Nach weiteren ca. 30 km beginnt die Schlucht des „Smaller-Naryn“ Flusses. Es ist eine atemberaubende Landschaft. Braune Grashänge, die ersten wenigen Häuser und später Bäume in einer engen Schlucht mit gewaltigem dunkelbraunen Wasser machen die Strecke sehr abwechslungsreich. Wir überqueren mehrfach den Fluss auf Brücken. Das bedeutet immer wieder hinab zum Fluss und auf der anderen Seite hinauf und so kommen doch einige Höhenmeter zusammen. Bis wir die Schlucht hinter uns lassen wird es immer heißer und die ersten Dörfer bringen auch mehr Verkehr auf der sehr staubigen Piste mit sich. Als wir nach über 200 km auf Schotter beim Dorf Tash-Bashat auf den ersten Teer treffen ist die Freude allerdings kurz. Gleich nach dem Ort geht es mit Schotter weiter. Der starke Gegenwind macht die verbleibenden 30 km anstrengend, heiß und staubig.
Endlose braune Weiden am Ende des Burkhan Tales
Die Provinzhauptstadt Naryn erreichen wir erst am Abend. Nicht nur das etwas heruntergekommene Hotel Ala-Too, in dem wir ein „renoviertes“ Zimmer nehmen, sondern auch die anschließende erfolglose Suche nach einem geöffneten Restaurant lassen uns den Ort etwas trostlos erscheinen. Am nächsten Vormittag besuchen wir noch den Markt und beginnen bald die nächste Etappe, die uns nach Süden über eine sehr gut ausgebaute Straße den nächsten Pässen entgegen bringt.
“Freiheitsstatue” am Erkindik-Platz im Zentrum von Naryn
Etappen:
3. Tamga – Barskoon Pass -> 48 km, 1700 hm
4. Barskoon Pass – Burkhan Valley -> 51 km, 810 hm
5. Burkhan Valley – Smaller Naryn River -> 70 km, 400 hm
6. Smaller Naryn River – Naryn -> 93 km, 770 hm
Zentral Kirgistan
Wir verlassen Naryn in Zentral-Kirgistan nach Süden auf der bestens geteerten Straße A365. Die Strecke führt in angenehmer Steigung und durch sehr trockene Landschaft über zwei Pässe, Kizil Bel (2484 m) und einen namenlosen Pass (2610 m). Obwohl dies die Hauptroute nach Kashgar (China) ist, sind wir überrascht, dass sich vor allem der LKW Verkehr in Grenzen hält. Die folgende ca. 30 km lange Abfahrt können wir dank des guten Straßenzustandes richtig genießen. Ab der Brücke über den Fluss At-Bashy (auf ca. 2000 m) beginnt ein langer, stetig leicht ansteigender Abschnitt, der zusätzlich mit Gegenwind erschwert wird. Im Dorf Kara-Suu gibt es funktionierende Trinkwasser-Brunnen und einen kleinen Laden. Gut versorgt zelten wir bald danach abseits der Straße in einer abgemähten Wiese. Wir befinden uns in der Mitte eines über 100 km langen Hochtals, das nach Westen gleichmäßig ansteigt und von Süden durch eine lange Gebirgskette mit fast 5000 m hohen Gletscherbergen begrenzt ist.
Am nächsten Morgen setzen wir unsere Fahrt nach Süd-Westen fort. Auch an diesem Tag gibt es fast keinen Verkehr. Für 40 km geht es nur geradeaus und so wird die immer leicht bergauf führende Strecke anstrengender als gedacht. Wird man von einem LKW überholt, dann sieht man diesen nach 15 Minuten immer noch als kleinen Punkt vor sich. Manchmal denken wir, wir werden die nächste Kurve heute nicht mehr erreichen. Doch irgendwann ist die Abzweigung da. Zur Belohnung folgt eine einsame Schotterpiste, die selber für weitere 8 km geradeaus führt und deutlich steiler ist. Bis wir die Passhöhe des Kulak Ashuu (3390 m) erreichen, hüllen sich die umliegenden Berge schon in dicke Wolken und es braut sich wieder ein Gewitter zusammen. Zum Glück ist die Piste für die Abfahrt gut, so dass wir uns schnell Richtung Tal flüchten können. Schade, denn die umliegende Landschaft, die durch interessante Lehmformationen geprägt ist, hätte mehr Zeit verdient. Der Regen erwischt uns nicht nur beim Zeltaufbau, sondern sorgt auch dafür, dass die umliegenden Bäche sich in braune Soßen verwandeln. Es ist gar nicht so einfach, filterbares Wasser zu finden.
Einsames Gebiet zwischen den Pässen Kulak Ashuu und MELS Ashuu
Obwohl es die ganze Nacht geregnet hat, ist die Strecke am nächsten Morgen nicht so schlammig, wie befürchtet. Es gibt einige Pfützen und die Bachquerungen sind teils schlammig, aber es bleibt fahrbar. Das Tal ist sehr grün und einsam. Nach wenigen Kilometern beginnen wir den nächsten Passaufstieg. Hier treffen wir auf so wenige Autos, dass es fast jedes Mal zu einem Fototermin kommt. Alle Insassen (bis zu 9 Leute kommen aus einem „nicht mehr so jungen“ Audi!) steigen aus und wollen ein Foto mit uns machen. Das Wetter hat sich wieder gebessert. Gut, denn die Abfahrt vom MELS Ashuu Pass (3380 m) führt zunächst an einem Kamm entlang, durch grüne Wiesen und entlang von Baum-bestückten Schluchten. Oberhalb der Steilstufe hat man dann einen beeindruckenden Fernblick nach Norden. Die menschenleere Landschaft leuchtet mit ihren Erosionsformen in der Nachmittagssonne orange-braun. Es wird eines der Highlights dieser Radreise bleiben. Wir sind froh die folgende Strecke bergab zu fahren. In steilen und lockeren Serpentinen geht es 400 Höhenmeter bergab. Hier treffen wir sogar auf 3 Kamele – die Seidenstraße ist ja nicht weit. Nach weiteren 15 km bergab erreichen wir den ersten Ort. Es gibt Wasser und einen kleinen Laden.
Abfahrt vom MELS Ashuu, Blick nach Norden
Abends und nachts gewittert es wieder, aber am Morgen ist alles vorbei. Wir kommen nach Baetov, ein etwas größerer Ort, in dem man sich gut versorgen kann. Es gibt viele Läden und einen kleinen Markt. Die gesamte weitere Strecke, hinab bis an den Naryn Fluss und entlang des Flusses nach Osten ist geteert und hat sehr wenig Verkehr. Da wir hier aber wieder deutlich unter 2000 m kommen, wird es tagsüber wieder entsprechend heiß. Bei Ak-Tal biegen wir Richtung Song Kul ab und versorgen uns im Ort Jangi-Talap. Hier gibt es kleine einfache Läden und ein nettes Cafe am Ortseingang. Dann beginnt der Anstieg zum Song Kul. Die Schotterpiste führt entlang eines schönen klaren Baches in das Tal zum Moldo Ashuu Pass. Als die ersten Bäume beginnen finden wir auf ca. 2000 m Höhe einen sehr schönen Zeltplatz direkt am Wasser.
Etappen:
7. Naryn – Kara Bulun -> 69 km, 850 hm
8. Kara Bulun – Kolkagar River -> 58 km, 1260 hm
9. Kolkagar River – Baetov -> 48 km, 660 hm
10. Baetov – Fuss des Moldo Ahsuu -> 51 km, 540 hm
Der Song Kul See
Nach einer Nacht am rauschenden Bach beginnen wir den Anstieg zum Moldo Ashuu Pass und über diesen zum Song Kul. Bis zum Beginn der Serpentinen folgen wir dem klaren Bach und wir durchqueren auch hier wieder auf einer Strecke von nur 25 km mehrere Landschaftsformen, durch einen relativ kurzen Bereich mit Wald geht es auf die baumlose Passhöhe (3230 m). Wir genießen die Auffahrt, denn die Steigungen sind mäßig und der Verkehr gering.
Moldo Ashuu Pass
Auf der Passhöhe werden wir von einem kalten Wind und einer beeindruckenden Hochfläche empfangen. Hier liegt auf über 3000 m Höhe der große See Song Kul, der von einer riesigen Grasfläche und Bergketten umgeben wird. Wir fahren die wenigen Hundert Höhenmeter hinab Richtung See und beginnen die Umrundung nach Westen. Die kleine Schotterpiste geht bald in eine Grasspur über, die erstaunlich gut zu radeln ist. Es ist trocken und es gibt kein Wellblech. Dafür bläst uns der kalte Wind entgegen. Zum ersten Mal holen wir Handschuhe und Stirnband heraus.
Am Song Kul
Um den Song Kul herum gibt es keine festen Ansiedlungen, nur einige Jurten. Heute wollen wir in einer dieser Jurten essen. Nach einigem Suchen finden wir am westlichsten Punkt des Sees eine Jurte, in der für uns Suppe und gebratener Fisch (aus dem Song Kul) gekocht wird. Die Wartezeit nutzen die Kinder der Nomaden für eine Runde auf unseren Rädern. Dann dürfen wir als Gäste an dem niedrigen Tisch Platz nehmen und bekommen ein einfaches, aber leckeres und vielseitiges Abendessen. So gestärkt suchen wir uns bald einen windgeschützten Zeltplatz.
Es wird die kälteste Nacht bisher und am nächsten Morgen sind die Berge nur 200-300 m über uns angezuckert. Es hat Neuschnee gegeben. Bald ist es aber wieder sonnig und wir fahren am Nordwest-Ufer entlang. Die Route ist ein ständiges auf und ab und bietet schöne Ausblicke auf den See. Am Nordende des Sees biegen wir auf eine kleine, steile Fahrspur ab und erreichen nach wenigen Kilometern die Passhöhe des Tuz Ashuu Passes (3220 m). Eisiger Wind und dunkle Wolken lassen uns bald abfahren. Die ersten ca. 300 Höhenmeter sind sehr steil und teils felsig. Wir sind froh, dass es trocken ist. Ansonsten führen die 1000 Höhenmeter bis zum Fluss Bazarturuk durch eine sehr einsame Landschaft und sind gut zu fahren. Hier wird die Schotterpiste etwas größer und folgt immer dem Fluss, bis zum ersten Ort Jany-Aryk. Dort erreichen wir die Verbindungsstraße 3M-16. Diese wird gerade ausgebaut und geteert. Für uns besteht sie aber für die nächsten 20 km aus einer Baustelle. Wir folgen durch ein breites Tal dem Fluss Jumgal nach Westen und kommen immer wieder durch kleinere und größere Dörfer.
Steile Abfahrt vom Tuz Ashuu Pass
Am folgenden Morgen kommen uns auf dieser Strecke die ersten Teilnehmer des Silk Road Mountain Race entgegen. Gerade einmal gut 24 Stunden nach dem Start in Bischkek! In den folgenden 2 Tagen werden uns alle Teilnehmer begegnen, da wir in genau entgegengesetzter Richtung der Route des Rennens folgen.
Kurz vor Chaek beginnt die Teerstraße und da es immer leicht bergab geht, sind wir bald in Aral. Dort biegen wir nach Norden ab. Es beginnt eine sandige Wellblech-Piste, die durch die faszinierende Kökomeren Schlucht führt. Rote und orange Sand- und Felsformationen werden von einem rauschenden Fluss durchbrochen. Glücklicherweise gibt es hier fast keinen Verkehr, denn es ist sehr trocken und staubig. Auf ca. 45 Kilometern ist das Tal eng eingeschnitten und weitet sich nur einmal kurz beim Ort Kyzyl-Oy. Deshalb ist es gar nicht so einfach, einen Zeltplatz zu finden. Viele der wenigen geraden Stellen sind übersäht mit Feuerstellen und Müll. Schade! Erst gegen Ende der Schlucht finden wir dann eine brauchbare Zeltstelle.
Etappen:
11. Moldo Ashuu – Song Kul -> 53 km, 1370 hm
12. Song Kul – Tugol Saj -> 56 km, 520 hm
13. Tugol Saj – Kökomeren Schlucht -> 86 km, 610 hm
Karakol und Kegeti Pass
Nach einer regnerischen Nacht wird das Wetter stabiler. Am Ende der Kökomeren Schlucht kommen wir in den Ort Kojomkul. Es ist ein etwas verlassen wirkendes Straßendorf, in dem wir aber für den letzten Abschnitt unserer Tour noch einmal etwas Lebensmittel kaufen können. Dann wird es wirklich einsam. Bis wir Richtung Bischkek die Berge verlassen werden, sehen wir nur noch vereinzelte Jurten, die hier öfters durch (blaue) Bauwagen ersetzt sind. Wenige Kilometer hinter dem Ort biegen wir nach Osten ab und folgen für über 90 km dem Karakol Tal. Die anfangs sehr trockene Landschaft wird dabei immer grüner und die vergletscherten Bergketten rücken näher zusammen. Über den Karakol Pass geht es dem Kegeti Pass entgegen.
Nachdem uns die letzten Teilnehmer des Silk Road Mountain Races begegnet sind, treffen wir nur noch sehr wenige Menschen. Dafür aber einige Hunde! Die Begegnungen gehen glücklicherweise gut aus, auch wenn es mal eines Sprintes oder ein paar Steinen bedarf. Nach anfänglichem Wellblech auf einer sehr lockeren Piste bessert sich die Fahrspur zunehmend. Am ersten Tag schaffen wir es bis auf eine Höhe von ca. 2700 m. Vor uns steht beständig eine dunkle Front, die nach Schneefall aussieht. Dementsprechend weht ein kalter Wind, so dass wir uns sogar mittags etwas Warmes kochen. Gegen Abend klart es auf und es wird die erste Nacht mit Frost.
Bei bestem Sonnenschein geht es dann die letzten 30 km auf den Karakol Pass (3450 m). Am Schluss wird es steil, bleibt aber fahrbar. Erneut ziehen bis mittags Wolken auf, doch mehr als ein paar Regentropfen bekommen wir nicht ab. Dann geht es eingemummelt für ca. 25 km bergab. Auf 2750 m zweigt die Spur zum Kegeti Pass ab. Auf unserer gesamten Tour haben wir jeden Reiseradler und Bikepacker nach dem aktuellen Zustand dieses „legendären“ Passes befragt und haben recht unterschiedliche Angaben erhalten (von „Horror“ über „müsst wahrscheinlich schieben“ bis „sollte gehen“ war alles dabei). Das Wetter sieht aber ganz gut aus und wir haben heute noch genügend Zeit, um uns eine Zeltstelle möglichst knapp unter der Passhöhe zu erarbeiten. Also versuchen wir es.
Der Kegeti-Pass
Bis ca. 3350 m ist es ein erstaunlich gut fahrbarer Weg, steil und sehr einsam. Wir zelten direkt auf dem Fahrweg. Da hier aber kein Auto mehr fahren kann, ist das kein Problem. Der klare Himmel beschert uns erneut eine recht frostige Nacht, aber auch Sonnenschein am nächsten Morgen. Früh beginnen wir die letzten 400 Höhenmeter des Anstieges. Wir wollen vor den ersten Wolken auf der Passhöhe stehen. Und obwohl wir fast 2 ½ Stunden brauchen, um die voll bepackten Räder teils fahrend, teils schiebend und ein kurzes Stück tragend über den Geröllhang des Kegeti Passes zu bringen, erreichen wir bei strahlend blauem Himmel die Passhöhe auf 3780 m. Die Ausblicke sind umwerfend und wir sind ganz alleine. Es ist buchstäblich der letzte Höhepunkt unserer Radreise, denn von hier aus geht es Richtung Bishkek nur noch bergab.
Die Fahrspur nach Norden führt in vielen Kurven hinab ins wunderschöne Kegeti Tal und ist durchwegs fahrbar. Manchmal wird es etwas rau, wenn der Gletscher versucht den Weg wegzuschieben oder die Fahrspur im Flussbett verläuft. Von Geröllfeldern, Moränen und Gletschern geht es durch alpine Matten in das von vielen Tian Shan Tannen geschmückte Flusstal des Kegeti. Der klare und rauschende Bach begleitet uns, bis wir die Berge verlassen. Erst weit unten gibt es die ersten wenigen Jurten und ein paar Häuser. Wir wollen aber das Tal noch etwas genießen und suchen uns für eine weitere Nacht eine Zeltstelle. Allerdings ist das gar nicht so einfach, da auch genügend Kirgisen für einen Ausflug in das kühlere Bergklima fahren.
Wir sind überrascht, dass schon im ersten Ort, Daci Kegeti, die Teerstraße beginnt. So können wir der Ebene um Bishkek entgegen rollen. Durch die Dörfer Sovetskoye, Rot-Front (1927 von deutschsprachigen Mennoniten als „Bergtal“ gegründet) geht es nach Yuryevka. Hier entwickelt sich aus einem kleinen Einkauf in einem Dorfladen eine Einladung zu einem Mittagessen im Kreis der Familie des Ladenbesitzers. Die Gastfreundschaft ist umwerfend. Nach einem Wodka ist es gar nicht so einfach, den Absprung zu schaffen. Aber schließlich sind es noch über 60 km bis nach Bishkek, wo wir am Abend wieder im Viva Hostel eine Dusche genießen wollen. Diese müssen wir uns hart verdienen, denn bevor wir in Dmitrievka auf die Hauptstraße treffen, gibt es noch ein gutes Stück staubige Nebenwege. Auf die verbleibenden 25 km bis nach Bishkek hätten wir auch gut verzichten können. Bei 35 Grad und abendlichem Schlangenverkehr werden wir auf der schlechten Teerstraße sehr nahe von vielen stinkenden LKWs überholt. Wir sind froh, als wir diesen letzten Teil unserer Radreise heil überstanden haben.
Etappen:
14. Kökomeren Schlucht – Karakol Tal -> 73 km, 820 hm
15. Karakol Tal – Kegeti Pass -> 53 km, 1280 hm
16. Kegeti Pass – Kegeti Tal -> 28 km, 420 hm
17. Kegeti Tal – Bishkek -> 86 km, 200 hm
Und zum Abschluss gibt es kirgisische Küche
1100 Kilometer und 13000 Höhenmeter Kirgistan liegen hinter uns.
Unzählige Erlebnisse und Eindrücke von einem wilden Land mit freundlichen Menschen bleiben!
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