Tempel – Vulkane – Meer
Juni 2017
Radroute durch Sizilien
Per Schiff ans Ende Europas
Zwei Wochen Urlaub, zu kurz für eine Radtour NACH Sizilien, aber IN Sizilien hoffen wir in dieser Zeit einiges sehen und erleben zu können. Mit den Rädern auf dem Autodach geht es über die Alpen nach Genua. Unser in die Jahre gekommenes Auto parken wir in der Innenstadt. Auf je zwei Rädern rollen wir dann in den Bauch der Fähre. In den folgenden ca. 20 Stunden kann man sich gut auf Erholung einstimmen.
Am Nachmittag des Folgetages kommt die Insel Sizilien in Sicht. Mit sehr sommerlichen Temperaturen werden wir von der Millionenstadt Palermo empfangen. Dann heißt es, sich durch das Gewirr der Gassen und Einbahnstraßen bis zur vor-gebuchten Unterkunft durchzufinden. Alles klappt gut und schon bald wird unser Gepäck vor einem abenteuerlichen Aufzug in den 4. Stock gehoben. Denn dort befindet sich in einer Altbauwohnung das B&B Aloel.
Nach einem Kaffee auf der Dachterrasse radeln wir noch eine Runde durch das sonntägliche Palermo. Neben einem netten Hafen gibt es viele ärmliche Viertel, durch die wir über große Steinplatten holpern. Da es schon Abend ist, sehen wir die Cathedrale, das Theatro Massimo und den Normannenpalast nur von außen, doch einen ersten Eindruck haben wir.
Durch den Westen
Gestärkt mit einem guten Frühstück auf der Dachterrasse starten wir mit den Rädern nach Westen. Es warten die ersten 300 Höhenmeter hinauf zum Normannen-Dom in Monreale. Es ist schon gut heiß bis wir uns in den kühleren und sehr beeindruckenden Dom setzen können. Der Innenraum ist ein einziges Mosaik. Der angrenzende Kreuzgang des Klosters besticht eher durch seinen Baustil.
Die Weiterfahrt führt vorbei an vielen Obstständen heraus aus dem städtischen Gebiet. Um die Schnellstraße zu vermeiden, schleichen wir uns über kleine, manchmal wegen der Steigung sogar nicht mehr fahrbare Sträßchen, hinauf bis zum Pass Portella della Paglia (800 m). Kurz davor finden wir einen herrlichen Brunnen, der für eine Pause und Erfrischung einlädt. Nach einer schönen Passabfahrt nach San Giuseppo Jato radeln wir durch hügeliges Gelände nach Camporeale. Touristen und erst recht Radler kommen hier kaum vorbei.
Die folgenden 20 km werden dann sehr einsam. Durch landwirtschaftlich genutztes Hügelland geht es über sehr kleine Straßen weiter nach Westen. Neben der Hitze und Steigungen machen uns immer wieder kleine Fliegen zu schaffen. Man will gar nicht stehen bleiben. Kurz vor Calatafimi gibt es dann aber einen Brunnen an der Straße. Bei der Erfrischungspause beschließen wir gleich hier zu bleiben. Es gibt Wasser und eine gerade und saubere Fläche vor dem Brunnen. Wir kochen. Ab und zu kommt ein Auto vorbei und Einheimische holen Trinkwasser, doch wir stören scheinbar keinen. Bei Beginn der Dunkelheit stellen wir unser Zelt auf. Außer den quakenden Fröschen im Brunnen wird es eine herrlich ruhige Nacht.
In Calatafimi frühstücken wir, bevor es über eine schöne Abfahrt und eine 4 km Steigerung zum Tempel von Segesta geht. Das beeindruckende Bauwerk steht seit fast 2500 Jahren am Fuße eines Hügels, auf dem es auch noch ein Amphitheater und Reste der damaligen Stadt zu besichtigen gibt.
Weiter geht es über einen längeren Anstieg hinauf zum Örtchen Vita. Hier bekommen wir Brot und machen Brotzeit. Währenddessen entwickelt sich im Westen ein Gewitter. Mit der Front im Rücken radeln wir nach Salemi. Dieses Städtchen am Berg umfahren wir südlich. Dann folgen einsame 20 km durch landwirtschaftlich genutztes Hügelland bis nach Castelvetrano. Im Rücken ein blitzendes Gewitter, vor uns ernte-reife Getreidefelder und grüne, bewässerte Weinberge. Eine schöne Strecke, auf der uns praktisch niemand begegnet.
Die restlichen 15 km von Castelvetrano hinab ans Meer bei Marinella (Selinunte) sind bei Rückenwind schnell geschafft. Östlich von diesem kleinen und verschlafenen Ort stürzen wir uns auch gleich in die noch gut erfrischenden Fluten. Der lange Sandstrand an dem kleinen Pinienwäldchen ist leer und ohne Sonne zieht es uns bald zum Campingplatz zurück. Hier gibt es die nach ca. 3000 Höhenmetern in den vergangenen 2 Tagen verdiente Pizza.
Südküste
Als eine der Ersten besichtigen wir um 9 Uhr das Ausgrabungsgelände von Selinunte. Etwas verteilt gibt es direkt an der Südküste Überreste einer ca. 2600 Jahre alten Stadt mit unterschiedlich erhaltenen Tempeln. Die Ausmaße der bearbeiteten Steine sind beeindruckend. Bevor der Touristenstrom anschwillt, sind wir wieder am Campingplatz.
Weiter geht es entlang der Südküste auf kleinen Straßen küstennah durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet bis nach Sciacca. Zwischen drin treffen wir auf einen neu gebauten Radweg, der auf einer alten Bahntrasse verläuft. Hier gibt es auch einen herrlichen, menschenleeren Strand, an dem wir ausgiebig baden.
Im nicht sehr schönen Hafengebiet von Sciacca gibt es einen Cappuccino, bevor es über die große Küstenstraße weiter nach Südosten geht. Hier gibt es zwar mehr Verkehr und ab und zu ein Tunnel, doch dafür sind die Steigungen mäßiger und durch den meist vorhandenen 1 m breiten Seitenstreifen geht es mit dem Rad schnell voran. Nach 30 km biegen wir zur Küste ab und erreichen über einen kleinen Pass den Campingplatz bei Eraclea Minoa. Hier zelten wir direkt am Rand des schönen Sandstrandes.
Am nächsten Morgen geht es zurück auf die Küstenstraße und weiter Richtung Agrigento. Nach gut der Hälfte der Strecke wechseln wir auf kleine Nebenstraßen und radeln bis zur Scala dei Turchi. Hier bilden schneeweiße Kalksteinschichten einen stufenförmigen Vorsprung ins Meer. Am Fuße dieser einzigartigen Treppe baden wir bei gutem Wellengang.
Immer an Küste entlang radeln wir durch den Hafen von Porto Empedocle und nach San Leone, einem Küstenort unterhalb von Agrigento. Hier gibt es einen schönen Campingplatz.
Am nächsten Morgen besichtigen wir, wieder gleich am Morgen, das Tal der Tempel. Auf dem Gebiet der 2600 Jahre alten Stadt Akragas gibt es zahlreiche Überreste von Häusern, Grabanlagen und vor allem Tempeln der alten Griechen zu bestaunen. Dabei zählt der Concordiatempel zu den am besten erhaltenen Tempeln der griechischen Antike überhaupt. Bald wird es heiß und voll.
Auf der Weiterfahrt fahren wir nach ca. 10 km wieder auf die große Küstenstraße SS115. Nach 2 Tunneln biegen wir bald nach Torre di Gaffe ab und erfrischen uns im Meer. Die weitere Strecke nach Licata ist flach. Das nette Städtchen nutzen wir zum Einkaufen und “Wassertanken”, bevor es weitgehend flach durch große Gebiete mit Gewächshäusern und Folienfeldern (Melonenanbau) Richtung Gela geht. Bei Rückenwind sausen wir über die Küstenstraße nach Osten. Wenige Kilometer vor Gela bauen wir an einem einsamen Sandstrand in den letzten Sonnenstrahlen das Zelt in den Dünen auf.
Am nächsten Morgen sind wir schon pünktlich auf der Straße, denn wir wollen nach einem Frühstück gegen 9 Uhr in Gela den Zug nach Catania erwischen. Die Radmitnahme und die Zugfahrt funktionieren problemlos (1 mal Umsteigen, 12,80 Euro pro Person, plus 3,50 Euro pro Rad). Kurz nach Mittag steigen wir in Catania aus dem gekühlten Zug.
Die Nachmittagshitze in Catania ist heftig. Vor allem wenn es nach einer Brotzeit gleich ziemlich steil aus der Stadt geht. Zum Glück gibt es auf der stetig ansteigenden Straße nach Zafferana immer wieder Wasserbrunnen zum Abkühlen und Auffüllen der Flaschen. Die Strecke über San Giovanni la Punta und Viagrande ist durchwegs besiedelt und mit Obst- und Weingärten bestückt. Erst als wir hinter Milo in Fornazza auf die Straße zur Ätna Nordseite abbiegen, wird es einsam. Da es den Campingplatz vor Milo nicht mehr gibt, zelten wir auf knapp 900 m Höhe abseits der Straße im Wald. Es wird eine herrlich ruhige Nacht.
Am nächsten Morgen wartet die Straße mit gut fahrbaren Steigungen bis zur Skistation auf ca. 1800 m auf uns. Mit jedem Kilometer wird es grüner und kühler. Die Strecke quert mehrere tiefschwarze Lavaströme und ist, trotz Sonntag, wenig befahren. Nur Rennradler gibt es einige. Zwischendurch gibt es sogar eine Lavahöhle an der Strecke zu besichtigen. Oben angekommen sind wir inzwischen über jeden Sonnenstrahl froh. Doch leider ist der Berg schon seit dem Vormittag in Wolken gehüllt.
Ätna
Da wir am nächsten Tag eine Besteigung des Ätna versuchen wollen, suchen wir uns in der Nähe des Straßenendes eine geeignete Stelle, an der wir am Abend das Zelt geschützt aufstellen können. Wir haben Glück und finden in einer Toilette des Parkplatzes sogar einen Wasserhahn. Gegen Abend wird es empfindlich kühl.
Als um 5 Uhr der Wecker klingelt hat es nur ca. 6 Grad draußen. Doch der Gipfel steht wolkenlos da. Unsere Chance! Nachdem wir das Gepäck gut in den Büschen versteckt haben radeln wir über eine Schotterpiste Richtung Ätna Observatorium hinauf. Die Piste ist aufwärts nur ca. zur Hälfte fahrbar. Der Rest ist zu steil oder besteht nur aus lockerer Lavaasche. Auf einer Höhe von ca. 2800 m lassen wir die Räder stehen. Es ist niemand unterwegs und die Bedingungen sind optimal (mäßiger Wind aus NO und wolkenlos).
Über den Rest des Fahrweges und dann weiter auf einem gut sichtbaren Weg steigen wir bis zum Rand des Hauptkraters auf. Es ist sehr beeindruckend, in den rauchenden und mit Schwefelablagerungen versehenen Krater zu blicken. Am Rand des Krater entlang steigen wir auf den höchsten Punkt des Nordkraters, mit 3327 m einer der beiden Gipfel. Auch in diesen Krater sieht man direkt hinein. Aber auch die Sicht auf die umliegende Landschaft ist faszinierend. Auf der einen Seite über das Meer bis nach Calabrien, auf der anderen Seite sieht man, wie sich ein Lavastrom in die Stadt Bronte geschoben hat.
Zur Erklärung
Diese Tour ist eine lange Bergtour. Für die 1600 Hm haben wir gut 4,5 Stunden benötigt. Sie sollte nur bei guten Bedingungen von Bergerfahrenen unternommen werden. Ab 2990 m ist es offiziell ohne Führer nicht mehr erlaubt! Die aktuelle Gefahrenstufe der vulkanischen Aktivität ist am Beginn des Weges ausgehängt.
Der Abstieg zu den Rädern war ein relativ weiches Hinab durch Lavaasche. Auch die Abfahrt mit den Rädern ging erstaunlich gut. Insgesamt eine Traumtour, bei diesen Verhältnissen. Nach dem Aufladen des Gepäcks folgten dann weitere 1000 Hm Passabfahrt Richtung Linguaglossa und weiter mit einigen Steigungen nach Randazzo. Hier gab es erst einmal ein verdientes Eis.
Da es im Inselinneren keine Campingplätze gibt, mussten wir uns erneut eine Biwakstelle suchen. Dieses Mal hat es etwas gedauert. Das Tal ist landwirtschaftlich intensiv genutzt und so müssen wir ca. 6 km über eine sehr schlechte Schotterstraße entlang eines Baches in den Parco de Nebrodi hineinfahren, bis wir eine schöne Stelle direkt an einem Brunnen finden. Der anstrengendste Tag bisher geht zu Ende.
Nordküste
Zurück auf der SS120 Straße geht es zunächst lang-gezogen hinab zu einer Brücke auf 650 m. Von da steigt die landschaftlich sehr schöne und sehr wenig befahrene Straße hinauf zum Bergdorf Cesaro. Nach einem Einkauf, einschließlich einer ziemlichen Sucherei nach einer Bäckerei, geht es in mehreren Steigungsstufen und Zwischenpässen hinauf auf den höchsten Pass Siziliens, die Portella Femmina Morta (1524 m). Die Steigungen sind gut zu fahren und der Wald spendet immer wieder Schatten.
Es folgen 30 km schönste Passabfahrt über 1500 Hm hinab bis an die Nordküste. Oben ist es waldig, kühl und man muss auf die halb-wilden Schweine am Straßenrand aufpassen. Dann wird es wärmer und die Landschaft offener. Im hübschen Ort San Fratello legen wir eine kurze Kaffeepause ein, dann folgt die restliche Abfahrt bis Acquedolci. Hier stoßen wir auf die Küstenstraße. Diese strampeln wir nach Westen Richtung Cefalu. In der Abendsonne und oft direkt am Meer entlang geht es noch ca. 35 km bis nach Castello di Tusa. Die Strecke hat wenig Steigungen und fast keinen Verkehr.
Nach 112 km an einem Tag sind wir froh den Campingplatz Lo Scoglio 2 km hinter dem Ort zu erreichen. Es ist ein sehr schöner und ruhiger Platz direkt an einem Kiesstrand. Baden, warm duschen, einen Topf voller Nudeln und Rotwein – mehr braucht es nicht, um Radler nach einem erlebnisreichen Tag zufrieden zu stellen.
An unserem “Ruhetag” unternehmen wir nach einem ausgiebigen Bad im Meer eine kleine Tour mit dem Rad hinauf in das Bergdorf Tusa. Die 600 Hm in der Mittagshitze lohnen sich für dieses mittelalterliche und gepflegte Örtchen, das hoch über dem Meer auf einer Kuppe liegt und kühle, verwinkelte Gassen bietet. Ein Eis essen und dann die Serpentinen hinab schießen, um sich wieder ins angenehm erfrischende Meer zu stürzen, das macht Sizilien so reizvoll für uns Radler.
Der folgende Tag ist der letzte Streckentag der Tour. Bis Cefalu ist die Küstenstraße entlang der Nordküste angenehm zu fahren. Erneut führt sie meist ohne große Steigungen direkt am Meer entlang durch wenige Orte und der Verkehr hält sich in Grenzen. Cefalu selber ist dann auf einmal voller Touristen. Die Altstadt ist dementsprechend gut hergerichtet. Der berühmte Normannendom wird besichtigt, ist aber nicht so beeindruckend wie der Dom in Monreale. Dafür kann man an der Hafenmauer gut baden und schnorcheln, es gibt sogar eine Süßwasserdusche.
Die weitere Strecke Richtung Palermo ist deutlich befahrener, vor allem der LKW Verkehr hat stark zugenommen. Bis Termini Imerese bleibt es ganz flach und wir wechseln auf eine kleinere Straße, die durch größere Industriegebiete und eine Raffinerie führt. Etwas trostlos. Durch das Städtchen selber geht es über ca. 100 Hm hinauf. Hier findet man keine Touristen, dafür aber einen guten Kaffee und Eis. Gestärkt greifen wir das letzte Stück der Etappe an.
Bis zur Halbinsel am Capo Zafferano führt die Straße zwar am Meer entlang, doch sieht man dieses kaum, da der Streifen zwischen Straße und Meer durchwegs bebaut ist. Nur an wenigen Stellen gibt es kleine Strandzugänge. Die Strecke ist stark befahren, vor allem von italienischen Badegästen. Als wir hinter Solanto auf der Suche nach einem wilden Übernachtungsplatz Richtung Capo Zafferano abbiegen, sind wir über die ursprünglichen Örtchen Porticello und Sant’ Elia überrascht und vor allem, dass es dort einen einfachen, aber gepflegten Campingplatz gibt, der in keiner unserer Karten eingezeichnet ist (Campeggio Olimpo). In einem alten Olivenhain sind wir das einzige Zelt und freuen uns über eine Dusche.
Am letzten Tag radeln wir um die Halbinsel herum, gehen am Leuchtturm noch ein letztes Mal Baden und Schnorcheln, bevor wir nach ca. 25 km wieder in Palermo sind. Außer dem netten Fischerort Aspra ist es ein Abradeln durch unschöne Vororte. Die Hitze ist groß, doch das Meer sieht nicht mehr einladend aus und so hängen wir in Kaffees ab, bis es am Abend am Piazza Bellini die Abschlusspizza gibt. Danach rollen wir mit den Rädern in den Bauch der Fähre, die uns zurück nach Genua bringt.
Statistik
Wir sind in 12 Tagen auf Sizilien 760 km geradelt und haben dabei 11200 Hm bewältigt (inkl. Besteigung des Ätna). Übernachtet haben wir 6 Nächte auf 5 Campingplätzen und haben 5 Mal wild gezeltet. Trotz des Mülls hatten wir keinen Platten und auch keine Probleme mit Hunden. Das Wetter war bis auf die ersten beiden gewittrigen Tage durchwegs wolkenlos, mit Temperaturen tagsüber bis über 30 Grad.
Sizilien ist eine tolle Insel für Radtourer, die es je nach Routenführung ermöglicht, mehr über Berge und Pässe zu fahren oder mehr Strecken am Meer entlang zu radeln und dabei Badepausen einzubauen. Noch schöner wäre die Insel ohne den Müll, der wirklich überall zu finden ist!
Unsere Route durch SIZILIEN
BLAU = Rad-Route durch Sizilien
Grün = Zugfahrt Gela-Catania