Mit dem Rad von Patras nach München
April-Juni 2024
Dieses Jahr ist es soweit: wir haben beide die Arbeitswelt hinter uns gelassen! Kein Zeitdruck mehr, der einem mehrwöchigen Bikepacking Abenteuer im Weg steht. Wie grandios ist das denn?
Wir möchten den Frühling und Frühsommer im sonnigen Süden genießen, Berge und einsame Natur erleben und Kontakt zu vielen unterschiedlichen Kulturen haben. Unsere Wahl fällt somit auf die für uns größtenteils unbekannten, westlichen Balkanländer, die wir im Landesinneren entlang der Dinarischen Alpen durchqueren wollen. Die Veröffentlichung der neu entwickelten Trans Dinarica Fahrradroute war für Ende Juli geplant, leider zu spät für uns. So haben wir unsere eigene Route gebastelt. Wir möchten uns hier für einige Routenabschnitte und Ideen bei Gonebikeabout (Via Dinarica und Albanien), bei love2bike (Bosnien & Herzegowina) und beim alljährlich stattfindenden Trans Balkan Race bedanken.
Im Frühling kann es in den Alpen noch sehr kalt sein, deshalb wollen wir die Strecke von Süd nach Nord fahren, genauer von Sami auf Kefalonia in Griechenland zurück nach München. Wir können also gleich mit Shorts und Trikot losradeln und den einsetzenden Sommer auf dem Weg nach Norden genießen. Ob dieser Plan aufgeht?
Ende April geht es dann endlich los. Die Räder sind bepackt und wir radeln kurz nach Mitternacht bei 4°C, Regen und Gegenwind 20 km zum Busbahnhof in München. Pünktlich um 2:40 Uhr fährt der Flixbus los und siebeneinhalb Stunden später werden wir sehr unfreundlich in Venedig Mestre hinaus geschmissen. Es gibt hier nur eine Haltestelle an der Straße und da die Räder unten im Gepäckfach auf der linken Busseite verstaut sind, steht man dann beim Auspacken mitten auf der Straße im morgendlichen Berufsverkehr. Kein Spaß mit Rädern und den ganzen Radtaschen! Aber das kennen wir mittlerweile und bleiben gelassen und trinken danach erstmal einen Cappuccino. Dann geht es zum Campingplatz in Fusina. Nach dem vielen Regen steht hier alles unter Wasser und wir finden nur ein einziges trockenes Fleckchen für unser Zelt. Am nächsten Tag radeln wir bei leichtem Regen zum Fährterminal der Anek Lines. Der Check-in ist absolut chaotisch und wir brauchen fast zwei Stunden, bis wir endlich auf die Fähre rollen dürfen. Wir erreichen nach 34 Stunden Patras in Griechenland, wo wir für eine Nacht ein kleines Apartment gebucht haben. Bei sommerlichen Temperaturen und Sonnenschein nehmen wir am nächsten Tag die Fähre, die uns in dreieinhalb Stunden nach Sami auf Kefalonia bringt. Nach einem Kaffee am ruhigen, fast menschenleeren Hafen starten wir unser Radabenteuer und freuen uns, von nun an in unserem eigenen Rhythmus unterwegs zu sein.
10 Länder – Viele Völker
Griechenland
Kefalonia ist die größte der Ionischen Inseln. Schon auf den ersten Metern erfasst uns die unglaublich ruhige und beschauliche Atmosphäre. Von Sami aus fahren wir in den Südosten der Insel. Ganz ohne Verkehr kurbeln wir gleich 500 Höhenmeter hinauf, die Berghänge sind um diese Jahreszeit herrlich grün und überall blüht es. Schnell finden wir einen Biwakplatz und verbringen eine ruhige, erstaunlich kühle Nacht und können uns von der langen Anreise gut erholen.
Nach einer kurzen Abfahrt geht es am kommenden Tag ausschließlich bergauf, denn wir wollen von Süden durch den Ainos Nationalpark hinauf auf den höchsten Gipfel der Insel. Insgesamt geht es 1400 Höhenmeter über zum Teil sehr steile und grobe Schotterstraßen hinauf. Anstrengend, aber die herrliche Aussicht bei bestem Wetter entlohnt uns. Zur Mittagspause machen wir auf 1200 m einen kurzen Abstecher zum Kloster Zoodochos Pigi. Im Schatten einer großen Platane lassen wir die Ruhe auf uns wirken. Wir sind ganz alleine hier. Die kleine Klosterkirche ist offen und wir können sie besichtigen. Wir wussten, dass es hier die einzige Wasserstelle auf der gesamten Strecke geben soll. Nach etwas Suchen finden wir die Quelle auf der Ostseite etwas unterhalb der Klostermauer. Wir füllen unsere Wassersäcke und Flaschen auf. Ab der Nationalparkgrenze wird die Schotterstraße besser und wir fahren auf der Nordseite des Bergmassivs durch einen schattigen Wald aus endemischen Kefalonia-Tannen, die dunkel und mächtig in den blauen Himmel ragen. Zur Kaffeepause sind wir oben auf dem höchsten Berg, Ainos (1628 m). Die Aussicht ist fantastisch und wir genießen auch noch den Sonnenuntergang.
Auf der Westseite gibt es eine gute Teerstraße hinunter. Nach fast 800 Höhenmeter Abfahrt biegen wir auf die alte Straße ab, die über enge Serpentinen und sehr, sehr lockeren Schotter weitere 400 Höhenmeter hinunter führt (nicht wirklich zu empfehlen!) zum Kloster Agios Gerasimos. Der Heilige Gerasimos ist der Schutzpatron von Kefalonia und wird von den Einwohnern verehrt. Es ist viel los, da ein Besuch des Klosters zur Vorbereitung auf das christlich-orthodoxe Osterfest gehört, das in einer Woche stattfindet. Auch wir bekommen von einer Nonne eine ganze Hand voll Osterbonbons geschenkt. Für uns besonders spannend und mystisch war das kleine Loch im Boden der Kirche, wo man über eine senkrechte Leiter in die Höhle gelangt. Hier hat der Hl. Gerasimos angeblich als Einsiedler gelebt.
Durch schöne Landschaft geht es weiter nach Argostoli, dem größten Ort der Insel, der gepflegt, aber leider ohne alte Bausubstanz ist, da beim Erdbeben 1953 alles zerstört wurde. Wir fahren über die De-Bosset-Brücke, die mit 689,9 m Länge weltweit die längste Meeresbrücke aus Stein ist. Auf der anderen Seite der Bucht führt die Straße nach Norden immer am Hang entlang mit schönen Tiefblicken auf das Meer.
Plötzlich stehen wir vor einer Straßensperre. Zum Glück lassen wir uns nicht abschrecken. Wir müssen zwar beide Räder abpacken und alles über die Leitplanke und um die Sperre herumtragen, aber das kurze Schotterstück an der Baustelle ist problemlos zu fahren und heute am Sonntag arbeitet hier eh keiner. Wir sparen uns dadurch einen Riesen Umweg! Das türkisblaue Wasser am Myrtos-Strand sieht traumhaft und verlockend aus. Dafür nehmen wir sogar 200 Höhenmeter zusätzlich in Kauf. Wir frischen uns im kristallklaren Wasser am weißen, feinen Kiesstrand ab. Doch dann geht es wieder hinauf, schwitz! Die Straße zieht noch weiter bergauf bis auf 350 m, bevor wir es bis nach Fiskardo ganz im Norden der Insel rollen lassen können. Es ist ein hübscher, ruhiger Ort mit einer Marina, in der einige Yachten stehen. Wir kaufen im Markt und in der Bäckerei ein und sind überrascht über das Preisniveau hier. Pünktlich um 12:15 Uhr fahren wir auf die Fähre (West Ferry), die uns für 10 € nach Vasiliki auf Lefkada bringt. Wir sind fast alleine auf dem Boot und genießen die sonnige Überfahrt.
In Vasiliki wird alles für die anstehende Urlaubssaison hergerichtet. Wir schwimmen nochmal im Meer, bevor wir die steile Straße in der Mittagshitze hinaufradeln zu einem Pass auf die Westseite der Insel. Hier wird der Verkehr deutlich mehr. Da Lefkada über eine Brücke mit dem Festland verbunden ist, können motorisierte Besucher die Insel leicht und schnell besuchen. Deshalb gefällt uns Lefkada nicht so gut und somit fahren wir nach nur einer Nacht weiter auf das griechische Festland, vorbei an der Festung Agia Mavra.
Das nächste Hindernis wartet kurz vor Preveza auf uns, ein 1,6 km langer Tunnel, der den Ambrakischen Golf unterquert und der für Fahrräder gesperrt ist. An der Mautstelle bekommen wir nach einem Telefonat die Info, dass in ca. einer halben Stunde ein Auto kommt, das uns durch den Tunnel bringt. Nach gut einer Stunde stehen wir immer noch am Straßenrand und niemand scheint das zu interessieren. Schließlich spricht uns ein sehr netter Grieche mit einem Pickup an. Ruck-zuck sind die Räder auf die Ladefläche gehievt und keine fünf Minuten später sind wir auf der anderen Seite des Tunnels. So ein Glück! Die Umfahrung der Lagune wären zusätzlich 120 km gewesen. Sehr enttäuschend, dass kein offizieller Transport für Radfahrer organisiert ist.
Nördlich von Preveza wollen wir die antike Stadt Nikopolis besuchen. Leider ist nichts ausgeschildert oder verschlossen. So geben wir auf und radeln zuerst auf der Küstenstraße, dann im Inland weiter nach Norden. Kleine Straßen führen durch ausgedehnte Orangenplantagen und Spargelfelder, bis wir bei Igoumenitsa wieder am Meer sind. Der vom Fährhafen dominierte Ort ist völlig chaotisch und die Uferpromenade besteht aus einer Aneinanderreihung verfallener Strandbars. Nichts lädt zum längeren Verweilen ein, so dass wir die letzten Kilometer Richtung Albanien radeln. Auf dem Weg retten wir noch eine Griechische Landschildkröte von der Straße, für die Unechte Karettschildkröte, die geruchsintensiv am Strand verwest, ist die Reise leider zu Ende.
Aber unsere Reise geht weiter, auf nach Albanien!
Albanien (Nordmazedonien, Kosovo)
Südalbanien
Nordmazedonien
Bergtour Korab – Ostalbanien
Kosovo
Nordalbanien
Tirana
Albanische Nordalpen
Südalbanien
Albanien begrüßt uns mit Regen und etwas rumpeligen Straßen, aber auch mit herzlich winkenden und hupenden Menschen. Wir sind aufgeregt und freuen uns, dieses für uns komplett unbekannte Land kennenzulernen. Schon nach nur 20 km erreichen wir die erste Sehenswürdigkeit, die Ruinenstadt Butrint, die im gleichnamigen Nationalpark liegt und eine von zwei UNESCO-Weltkulturerbe Stätten in Albanien ist. Um dort hin zu kommen, müssen wir aber erst noch mit einer abenteuerlichen Seilfähre über den Vivar Kanal fahren. Das Wetter bessert sich und nach einer kleinen Mittagsbrotzeit besichtigen wir die Ausgrabungen. Das Gelände ist sehr weitläufig, deshalb verlaufen sich die anderen Besucher und man kann sich Zeit lassen beim Rundgang durch die verfallenen Bauwerke. Als wir zum Baptisterium kommen sind wir aber doch sehr enttäuscht. Der Mosaikboden ist mit einer dicken Sandschicht abgedeckt, um ihn vor Umwelteinflüssen zu schützen. Nur an wenigen Tagen im Jahr wird er freigelegt. Wir steigen hinauf zur venezianischen Festung, von wo man eine schöne Aussicht auf den Butrint See und das Hinterland hat.
Über Ksamil, dessen Hauptstraße eine einzige staubige Baustelle ist und dessen Strand leider komplett mit Strandbars zugebaut ist, kommen wir nach Sarandë. Die große Bucht hat jeglichen Reiz durch den touristischen Bauboom der letzten Jahre verloren. Gut, dass wir sowieso geplant hatten ins Landesinnere zu fahren. Wir nützen die hier vorhandene Infrastruktur, um Geld abzuheben (die Tirana Bank ist für uns am günstigsten) und eine albanische SIM Karte zu kaufen. Auf der Weiterfahrt ist zwar viel Verkehr, aber die meisten fahren sehr rücksichtsvoll. Wir besichtigen gleich noch ein weiteres Highlight, Syri i Kaltër (Blaues Auge), das die wasserreichste Karstquelle Albaniens und der Ursprung der Bistrica ist. Trotz der späten Stunde sind noch viele, meist einheimische Touristen unterwegs. Wir kommen mit unseren Rädern bis fast an die Quelle und bestaunen das glasklare Wasser, das hier aus dem Boden sprudelt. Da es bald dunkel wird, sind wir froh, schnell einen Biwakplatz in der Nähe zu finden. Da Wildcampen in Albanien erlaubt ist, können wir auch offen auf einer Wiese stehen und müssen uns nicht verstecken.
Über den Qafa Muzinës (Muzina Pass, 572 m), eine landschaftlich sehr reizvolle Strecke entlang gelb-blühender Berghänge, kommen wir in die Ebene des Drino. Auf der verkehrsreichen Nationalstraße können wir dank der breiten Schulter auch gut radeln und sind bald in Gjirokastër.
Die historischen Altstädte von Gjirokastër und Berat sind zusammen die zweite UNESCO-Weltkulturerbe Stätte in Albanien. Wir radeln zuerst die krass steile Straße hinauf zur Burg, wo einst das berüchtigtste politische Gefängnis Albaniens war. Heute ist davon kaum mehr etwas zu sehen, aber man hat eine grandiose Aussicht auf das historische Zentrum mit seinen osmanischen Häusern. Gjirokastër ist die Geburtsstadt von Enver Hoxha, der als totalitärer Diktator 40 Jahre lang herrschte und das Land komplett von der Außenwelt isolierte. Diese kommunistische Vergangenheit wird uns auf unserer Reise durch Albanien immer wieder begegnen. Dann tauchen wir ein in das Gewusel im Basarviertel, das hauptsächlich aus Restaurants und Souvenirläden besteht. Es ist uns zu voll und zu touristisch, so dass wir über holprige Kopfsteinpflastergassen die Stadt wieder verlassen. Wir folgen dem Drino mit seinem klaren Wasser bis fast zu Mündung in die Vjosa und folgen dieser dann flussaufwärts bis kurz hinter Piskovë. Von der Vjosa sind wir etwas enttäuscht, da diese durch die Regenfälle sehr trübes, braunes Wasser hat und man überall am Ufer Plastikmüll hängen sieht. Dass Müll und speziell Plastikmüll ein Riesenproblem in Albanien und auch in allen anderen Balkanländern ist, werden wir auch auf der weiteren Reise immer wieder erfahren.
Der einzig mögliche Übergang vom Tal der Vjosa ins Tal des Osum führt über eine Off-Road Piste mit gut 700 Höhenmeter Anstieg. Die Strecke ist landschaftlich fantastisch, nur leider hat der nächtliche Regen (plus der Regen der vergangenen Tage) den Belag komplett durchgeweicht und es ist teilweise sehr schlammig. Das Ganze wurde dann auch noch von einem Geländewagen-Konvoi (natürlich sitzt in jedem Gefährt nur ein Abenteurer) so richtig durchgeackert. Deshalb mussten wir an manchen Stellen schieben. Am Ende hängt der ganze „Batz“ dick an der Schuhsohle und klebt danach an den Pedalen. Mühsam, aber wir schaffen die Strecke und die tiefhängenden Wolken zaubern eine ganz eigene, mystische Stimmung.
Wieder auf Teer angekommen, führt die Straße oberhalb am Osum River Canyon entlang und man hat immer wieder spektakuläre Aussicht in die tiefe Schlucht.
Endlich bessert sich auch das Wetter und wir genießen die Sonne. Wir haben Sicht auf das Tomorr-Massiv und auf den höchsten Gipfeln liegt sogar Neuschnee. Immer wieder sehen wir verfallene Häuser, Tankstellen und Fabriken, die seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes 1990 keine Verwendung mehr haben. So auch in Poliçan, wo in unterirdischen Fabriken das Zentrum der albanischen Waffenproduktion war. Wir versorgen uns hier wieder mit Lebensmitteln. In einer Furre Buke (Bäckerei) kaufen wir einen Laib frisches Weißbrot, der meist nur 80 LEK (= 0,8 €) kostet.
Wir erreichen Berat, die „Stadt der tausend Fenster“. Warum sie so heißt, versteht man beim Blick auf die Fensterfronten der typisch osmanischen Häuser im muslimischen Altstadtviertel Mangalem. Wir buchen ein Zimmer mit Frühstück im Guesthouse Marjo, wo wir Räder und Gepäck lassen und die schöne Stadt besichtigen. Wir machen einen ausgiebigen Rundgang durch den Burgberg, dessen kleine Steinhäuser auch heute noch bewohnt sind. In einem kleinen Innenhof finden wir ein Café und unterhalten uns lange mit der Enkelin der Besitzerin und ihrer Freundin, die beide sehr gut Englisch sprechen.
Von der Burg hat man einen herrlichen Ausblick auf die Neu- und Altstadtviertel von Berat, sowie den Fluss Osum. Schön restauriert präsentieren sich nun auch wieder die Königsmoschee, eine der ältesten Moscheen Albaniens und die Halveti-Tekke, ein Versammlungsraum des Derwischordens der Bektaschi. Berat hat uns sehr gut gefallen.
Berat am Osum
Wir fahren nach Kuçova, wo wir ins Devoll Tal abbiegen, dem wir nun für viele Kilometer flussaufwärts folgen werden. Hier befindet sich das Zentrum der albanischen Erdöl-Industrie. Überall stehen baufällige Erdöl-Pumpen und vielerorts sickert die schwarze Sauce einfach in den Boden. Es riecht nach Öl und es ist unglaublich, wie fahrlässig die Umwelt verschmutzt wird.
Immer wieder werden wir mit dem Müllproblem konfrontiert. Bisher haben wir kaum intakte Müllcontainer gesehen, es gibt meist weder Deckel noch Rollen. Später beobachten wir, dass zur Entsorgung die Container einfach auf die Straße ausgekippt werden und dann der Müll händisch ins Müllauto geschaufelt wird. Wir haben das Gefühl, dass es kein funktionierendes System zur Müllentsorgung gibt.
Eine Besonderheit, die uns schmunzeln lässt und die es scheinbar auch nur in Albanien gibt: An fast jedem Haus, egal ob alt oder neu hängt ein Plüschtier. Das soll wohl den bösen Blick fernhalten und das Haus schützen.
Zu Beginn wird das Devoll Tal landwirtschaftlich genutzt, aber nicht wie wir es kennen. Die Felder sind sehr klein und alles wird in Handarbeit gemacht. Wir haben keinen einzigen Traktor gesehen! Bald sind wir am Banje Reservoir, einem großen Stausee des Devoll. Das Wasser sieht aber nicht so sauber aus und lädt nicht zum Baden ein. Nach Gramsh verengt sich das Tal und die inzwischen durchgehend geteerte Straße windet sich herrlich einsam durch die Schlucht. Wir finden einen ruhigen Biwakplatz etwas abseits der Straße, direkt neben einem offenen Bunkereingang. Diesen haben wir natürlich mit unseren Stirnlampen erkundet: Ein riesiger, hallenartiger Raum mit einem langen Gang zu einem weiteren Ausgang. Schon etwas unheimlich. Und das ist nur einer von über 170.000 Bunkern in Albanien, die während der Diktatur von Enver Hoxha gebaut wurden, geplant waren sogar mal 750.000 Bunker! Sie sollten der Verteidigung des Landes im Falle einer ausländischen Invasion dienen. Die kam aber nie und heute verfallen die Anlagen fast überall. Was für eine Beton-Verschwendung!
Die Straße zieht weiter hinauf zu einem zweiten Stausee und klettert am Ende bis auf 1000 m hoch. Von hier hat man eine wunderbare Aussicht. Wir machen Mittagsbrotzeit und bleiben nicht lange alleine. Ein Hirte mit seinen fünf Kühen setzt sich zu uns. Er freut sich, dass wir unser Brot und den restlichen Käse mit ihm teilen, aber leider können wir uns überhaupt nicht mit ihm unterhalten. So verabschieden wir uns und rollen wieder hinunter zum Devoll, an dem eine Schotterstraße nach Maliq führt. Noch ein paar Kilometer und wir erreichen Pogradec am Ohridsee. Man merkt, dass er im Sommer ein beliebtes Urlaubsziel ist. Es gibt eine Uferpromenade, an der ein Restaurant neben dem anderen steht.
Nordmazedonien
Nach einer Nacht auf einem Campingplatz in Pogradec radeln wir die wenigen Kilometer zur Grenze nach Nordmazedonien, dem dritten Land auf unserer Radreise, und besuchen das Kloster Sveti Naum. Eine schöne, gepflegte Anlage, die von vielen Einheimischen besucht wird. Die kleine Klosterkirche ist innen ganz mit Fresken bemalt. Der Ohridsee ist einer der ältesten Seen der Erde und bildet zusammen mit den angrenzenden Kulturlandschaften das UNESCO Natur- und Kulturerbe der Ohrid-Region. Am Ostufer des Sees entlang geht es weiter bis zur Stadt Ohrid. Wir drehen eine kleine Runde durch die Altstadt. Besonders gefällt uns der Blick über den See mit der Kirche Sveti Jovan Kaneo. Da die Festung oben auf dem Berg leider geschlossen ist, fahren wir weiter nach Struga. Hier entwässert der Ohridsee in den Schwarzen Drin, dem wir nun flussabwärts folgen. Das Tal ist sehr einsam und waldig. Wir sind aber sehr schockiert wie viel Plastikmüll überall am Flussufer hängt. Kein Wunder, denn an vielen Stellen wird der Müll einfach den Hang hinuntergekippt. Es ist dann schwierig, die Landschaft zu genießen. Wir können das nicht einfach ausblenden.
Der Fluss wird zweimal aufgestaut, zum Globočicasee und zum Debarsee und fließt schließlich weiter nach Albanien. Wir radeln über die Staumauer nach Debar und kurz danach sind auch wir wieder zurück in Albanien.
Bergtour Korab (Maja e Korabit) in Ostalbanien
Wir sind nun in den abgelegenen Bergregionen Ostalbaniens. Die Gegend wirkt ärmlich auf uns. In den Läden finden wir zwar das Nötigste, um uns zu versorgen, aber es ist immer das gleiche: Brot, Nudeln, Tomaten, Gurken, Zwiebeln, und manchmal Feta. Gar nicht leicht, die beim Radeln verbrannten Kalorien wieder nachzufüllen. Aber die Menschen reagieren hier im Vergleich zu Nordmazedonien wieder viel herzlicher und winken uns zu.
Nördlich von Peshkopi wird der Verkehr weniger, aber es erwischt uns ein heftiger Gewitterregen, den wir frierend auf der Terrasse eines Cafés in Sllovë aussitzen. Vier junge albanische Männer sitzen auch hier und wir versuchen uns ein wenig zu unterhalten, vor allem mit einem, der etwas Deutsch kann. In Deutschland hat er am Bau gearbeitet, wurde aber nach zwei Jahren wieder abgeschoben. Er wirkt frustriert: “Ich finde hier in Albanien keine Arbeit.” Diese Perspektivlosigkeit nimmt uns mit.
Als der Regen nachlässt, fahren wir weiter.
Wir wollen noch zum Bergdorf Radomirë. Für den nächsten Tag ist gutes Wetter angesagt. Perfekt, um den Berg Korab zu besteigen, der mit 2764 m der höchste Berg Albaniens und Nordmazedoniens ist. Frühmorgens starten wir den langen, aber technisch unschwierigen Aufstieg. Ab ca. 2100 m stapfen wir im Schnee, der aber perfekt zum Gehen ist. Am Gipfelgrat bläst ein eiskalter Wind, der das Wasser an den Grashalmen zu kleinen Kunstwerken gefrieren lässt. Wir ziehen alles an und sind am Gipfel überwältigt vom Panorama, das wir von hier in alle Richtungen haben.